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Harry Bosch 16 - Spur der toten Mädchen

Harry Bosch 16 - Spur der toten Mädchen

Titel: Harry Bosch 16 - Spur der toten Mädchen
Autoren: Michael Connelly
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unabhängiger Anwalt vertreten, jemand, der …« –
    »Für genau solche Fälle gibt es doch den Attorney General«, entgegnete ich. »Warum gehen Sie nicht zu ihm, wenn Sie einen unabhängigen Anwalt brauchen.«
    Das war natürlich ein schlechter Witz, und jeder am Tisch wusste es. Unter gar keinen Umständen würde Gabriel Williams den Attorney General von Kalifornien bitten, sich in das Verfahren einzuschalten. Damit begäbe er sich ins Reich der Politik, und diese Grenze zu überschreiten war absolut tabu. In Kalifornien wurde der Attorney General direkt vom Volk gewählt, und jeder, der in den politischen Kreisen der Stadt Rang und Namen hatte, ging davon aus, dass Williams diesen Posten auf seinem Weg in die Residenz des Gouverneurs oder in ein anderes politisches Amt als nächsten anstreben würde. Auf gar keinen Fall würde Williams einem potenziellen politischen Rivalen einen Fall zuspielen, den dieser, mochte er auch noch so lang zurückliegen, gegen ihn verwenden konnte. Ob nun in der Politik, vor Gericht oder im Leben grundsätzlich: Man gibt seinem Gegenspieler nicht den Prügel in die Hand, mit dem er einen niederknüppeln kann.
    »Wir werden damit nicht zum AG gehen«, erklärte Williams nüchtern. »Und genau deshalb will ich Sie für diesen Fall haben, Mickey. Sie sind ein bekannter und angesehener Strafverteidiger. Ich glaube, Ihnen wird die Öffentlichkeit abnehmen, dass Sie in dieser Angelegenheit unabhängig sind, und deshalb wird sie auch keine Zweifel an der Korrektheit des Verfahrens anmelden, wenn Sie eine erneute Verurteilung erwirken.«
    Während ich noch Williams ansah, kam ein Kellner an unseren Tisch, um unsere Bestellungen aufzunehmen. Ohne den Blickkontakt mit mir abreißen zu lassen, beschied ihm Williams, er solle sich entfernen.
    »Ich habe mich noch nicht näher mit der ganzen Geschichte befasst«, sagte ich. »Wer ist überhaupt Jessups Verteidiger? Ich würde nicht gerne gegen einen Kollegen antreten, den ich gut kenne.«
    »Im Moment hat er nur den GJP -Anwalt und den Prozessanwalt, der ihn in der Zivilklage vertritt. Um einen Strafverteidiger hat er sich bisher noch gar nicht bemüht, weil er, offen gestanden, damit rechnet, dass wir die Sache fallenlassen werden.«
    Ich nickte. Damit war fürs Erste eine weitere Hürde aus dem Weg geräumt.
    »Aber da wird er sich noch wundern«, fuhr Williams fort. »Wir werden ihn nach Los Angeles holen und ihm erneut den Prozess machen. Er war’s, Mickey, und das ist eigentlich alles, was Sie wissen müssen. Da ist ein kleines Mädchen, das nach wie vor tot ist, und das ist alles, was der Ankläger in diesem Fall wissen muss. Übernehmen Sie den Fall. Tun Sie etwas für die Allgemeinheit und für sich. Wer weiß, vielleicht finden Sie ja sogar Gefallen an dieser neuen Tätigkeit und entschließen sich, dabeizubleiben. Und sollte dem so sein, würde es an uns gewiss nicht scheitern.«
    Ich senkte den Blick auf das Leinentischtuch und dachte über seine letzten Worte nach. Unwillkürlich stieg kurz das Bild meiner Tochter vor mir auf, wie sie mir im Gerichtssaal zusah, wie ich für das Volk in die Schranken trat und nicht für die Angeklagten. Williams merkte nicht, dass ich bereits eine Entscheidung getroffen hatte, und fuhr fort:
    »Selbstverständlich kann ich Ihnen nicht Ihren üblichen Satz zahlen, aber wenn Sie diesen Fall übernehmen, tun Sie dies, glaube ich, ohnehin nicht des Geldes wegen. Ich kann Ihnen ein Büro und eine Sekretärin zur Verfügung stellen. Und Sie können alles haben, was Sie an wissenschaftlichen und technischen Hilfsmitteln benötigen. Das Beste vom …«
    »Ich will kein Büro in der Staatsanwaltschaft. Was das angeht, möchte ich vollkommen unabhängig bleiben. Ich muss mein eigener Herr sein. Deshalb auch keine gemeinsamen Mittagessen mehr. Wir geben die Sache bekannt, und danach lassen Sie mich in Ruhe. Ich entscheide ganz allein, wie ich die Sache anpacke.«
    »Meinetwegen. Solange Sie darin keine Beweismittel aufbewahren, können Sie gern Ihre Privatkanzlei benutzen. Und Sie treffen natürlich Ihre Entscheidungen eigenständig.«
    »Und wenn ich es mache, möchte ich mir selbst meinen Vize aussuchen – und einen eigenen Ermittler aus den Reihen des LAPD . Leute, denen ich trauen kann.«
    »Wollen Sie als Vize jemanden aus meiner Behörde oder von außerhalb?«
    »Ich hätte gern jemanden aus der Staatsanwaltschaft.«
    »Wenn ich die Sache richtig sehe, denken Sie dabei an Ihre Ex-Frau.«
    »Richtig –
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