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Harry Bosch 16 - Spur der toten Mädchen

Harry Bosch 16 - Spur der toten Mädchen

Titel: Harry Bosch 16 - Spur der toten Mädchen
Autoren: Michael Connelly
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Als ließe sich das Geschehene so leichter akzeptieren, hoffte ich auf weitere Beweise für Jason Jessups Bösartigkeit.
    Bisher war jedoch bei keiner der drei Grabungen etwas gefunden worden. Das Team ging sehr langsam vor. Sie trugen immer nur drei Zentimeter von der Bodenoberfläche ab und siebten und untersuchten jedes Gramm Erde, das sie entfernten. Wir waren schon den ganzen Vormittag hier oben, und die Hoffnungen, die ich mir bezüglich Jessups nächtlicher Aktivitäten gemacht hatte, waren blankem Zynismus gewichen.
    Zwischen dem Baum und zwei Stangen am Rand der Grabung war eine weiße Plane gespannt worden. Sie schirmte die Grabungstechniker sowohl gegen die Sonne als auch gegen die Hubschrauber über ihnen ab. Jemand hatte die Medien über die Suche informiert.
    Bosch hatte die Akten über die Vermissten vor sich auf dem Tisch liegen. Sollten irgendwelche sterblichen Überreste gefunden werden, konnte er sich mit den Unterlagen und den Personenbeschreibungen der vermissten Mädchen sofort an die Arbeit machen. Ich hatte lediglich die
Times
dabei und las die erste Seite inzwischen zum zweiten Mal. Die lange Meldung über die Ereignisse vom Vortag war der Aufmacher dieser Ausgabe. Sie wurde von einem Farbfoto von zwei SIS -Männern begleitet, die auf dem Santa Monica Pier mit ihren Waffen in die offene Falltür zielten. Dem Artikel war ein Bericht über die SIS beigefügt. Überschrift: WIEDER SCHÜSSE , WIEDER EIN TOTER , DIE BLUTIGE VERGANGENHEIT DER SIS .
    Ich hatte das Gefühl, dass dieser Fall die Medien noch länger beschäftigen würde. Bisher war nämlich noch nicht zu ihnen durchgedrungen, dass die SIS gewusst hatte, dass sich Jessup eine Waffe besorgt hatte. Wenn das herauskam – und ich war sicher, dass es herauskäme –, löste es bestimmt einen Sturm der Entrüstung aus, gefolgt von zusätzlichen Ermittlungen und einer Untersuchung seitens der Police Commission. Die vordringlichste Frage würde lauten, warum man diesen Mann nicht in Haft genommen hatte, nachdem bekannt gewesen war, dass er sich mit hoher Wahrscheinlichkeit im Besitz einer Schusswaffe befand.
    Aus all diesen Gründen war ich froh, nicht mehr, auch nicht vorübergehend, in den Diensten des Staates zu stehen. Auf dem Schlachtfeld der Bürokratie neigen solche Fragestellungen dazu, Leute um ihre Jobs zu bringen.
    Auf mein Auskommen hätte der Ausgang solcher Untersuchungen keine Auswirkungen. Ich würde einfach in meine Kanzlei zurückkehren – sprich: auf den Rücksitz meines Lincoln Town Car. Ich würde wieder als unabhängiger Strafverteidiger arbeiten. Da waren die Grenzen schärfer gezogen, der Auftrag klarer.
    »Kommt Maggie McFierce auch her?«, fragte Bosch.
    Ich legte die Zeitung auf den Tisch.
    »Nein, Williams hat sie nach Van Nuys zurückgeschickt. Für sie gibt es in dieser Sache nichts mehr zu tun.«
    »Warum versetzt Williams sie nicht nach Downtown?«
    »Die Abmachung lautete, wir müssten eine Verurteilung erwirken, damit sie nach Downtown kommt. Das ist uns nicht gelungen.«
    Ich deutete auf die Zeitung.
    »Und wir hätten auch keinen Schuldspruch bekommen. Dieser eine Geschworene erzählt jedem, der es hören will, dass er für nicht schuldig gestimmt hätte. Deshalb kann man wahrscheinlich zu Recht behaupten, dass Gabriel Williams jemand ist, der zu seinem Wort steht. Maggie wird nicht so schnell befördert werden.«
    So war das im Geflecht von Politik und Justiz. Und genau deshalb konnte ich es kaum erwarten, wieder die Verdammten zu verteidigen.
    Danach saßen wir eine Weile schweigend da, und ich dachte über meine Ex-Frau nach und wie kläglich ich mit meinen Bemühungen, ihr zu einer Beförderung zu verhelfen, gescheitert war. Ich fragte mich, ob sie mir den Versuch übelnahm. Ich hoffte sehr, dass dem nicht so wäre. Es fiele mir schwer, mit dem Wissen zu leben, dass Maggie McFierce mich verachtete.
    »Sie haben was gefunden«, sagte Bosch.
    Ich blickte von meinen Gedanken auf und beobachtete, wie eine Grabungstechnikerin mit einer Pinzette etwas aus der Erde zog und in eine Beweismitteltüte steckte. Dann richtete sie sich auf und kam mit der Tüte auf uns zu. Es war Kathy Kohl, die forensische Archäologin der Rechtsmedizin.
    Sie reichte die Tüte Bosch, der sie hochhielt, um sich ihren Inhalt anzusehen. Sie enthielt ein Silberarmband.
    »Keine Knochen«, sagte Kohl. »Nur das. Wir sind jetzt achtzig Zentimeter tief, und es kommt sehr selten vor, dass ein Mordopfer nennenswert tiefer vergraben ist.
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