Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Harry Bosch 16 - Spur der toten Mädchen

Harry Bosch 16 - Spur der toten Mädchen

Titel: Harry Bosch 16 - Spur der toten Mädchen
Autoren: Michael Connelly
Vom Netzwerk:
gerade?«
    »Sie haben den Santa Monica Pier evakuiert. Channel Five hat einen Hubschrauber hingeschickt. Sie haben zwar nicht bestätigt, dass es wegen Jessup ist, aber es hieß, die SIS -Einheit des LAPD hätte vom SMPD das Einverständnis für die Festnahme einer flüchtigen Person eingeholt. Sie sind jetzt am Strand und kreisen ihn ein.«
    »Im Verlies? Hat Jessup jemanden in seine Gewalt gebracht?«
    »Wenn ja, sagen sie es nicht.«
    »Hast du Harry schon angerufen?«
    »Hab ich gerade versucht, aber er ist nicht rangegangen. Ich vermute, er ist unten am Strand.«
    Ich wandte mich vom Fenster ab und nahm die Fernbedienung vom Couchtisch. Ich machte den Fernseher an und schaltete auf Channel Five.
    Auf dem Bildschirm erschien eine Luftaufnahme des Piers und des Strands. Es sah so aus, als rückten von Norden und Süden Männer auf den Pier zu.
    »Du hast wahrscheinlich recht«, sagte ich zu Maggie. »Das kann nur wegen Jessup sein. Das Verlies, das er unter dem Pier eingerichtet hat, war für ihn selbst. Eine Art Refugium. Um sich irgendwo verkriechen zu können.«
    »Wie die Gefängniszelle, an die er gewöhnt war. Ob er wohl mitbekommen hat, dass sie bereits näher kommen? Vielleicht hört er die Hubschrauber.«
    »Harry meinte, dort unten würden die Wellen so einen Krach machen, dass nicht einmal ein Schuss zu hören wäre.«
    »Das wird sich wahrscheinlich gleich zeigen.«
    Wir sahen eine Weile schweigend zu, bevor ich sagte:
    »Maggie, schauen das eigentlich auch die Mädchen?«
    »Natürlich nicht! Sie spielen nebenan Videospiele.«
    »Gut.«
    Schweigend sahen wir weiter zu. Die Stimme des Reporters, der das Geschehen auf dem Bildschirm mit läppischen Kommentaren begleitete, hallte blechern durch den Raum. Schließlich stellte Maggie die Frage, die sie wahrscheinlich schon den ganzen Nachmittag beschäftigte.
    »Hättest du gedacht, dass es so enden würde, Haller?«
    »Nein. Du?«
    »Nein, nie. Wahrscheinlich dachte ich, es bliebe alles auf den Gerichtssaal beschränkt. Wie es immer ist.«
    »Ja.«
    »Wenigstens hat uns Jessup die Blamage des Urteils erspart.«
    »Wieso das? Er hatte nicht den Hauch einer Chance, und das wusste er auch.«
    »Du hast wohl noch keins der Interviews mit den Geschworenen gesehen, oder?«
    »Wo, im Fernsehen?«
    »Ja, Geschworener Nummer zehn erzählt auf jedem Sender, dass er für nicht schuldig gestimmt hätte.«
    »Meinst du Kirns?«
    »Ja, der Ersatzmann, der erst nachträglich eingesetzt wurde. Alle anderen Interviewten sagen schuldig, schuldig, schuldig. Nur Kirns sagt nicht schuldig, wir hätten ihn nicht überzeugt. Seinetwegen wäre die Jury nicht zu einem einstimmigen Urteil gekommen, Haller, und du weißt genauso gut wie ich, dass es Williams nicht auf einen zweiten Versuch hätte ankommen lassen. Jessup wäre freigekommen.«
    Ich dachte darüber nach und konnte nur den Kopf schütteln. Alles wäre umsonst gewesen. Ein einziger Geschworener mit einem Groll gegen die Gesellschaft hätte genügt, und Jessup wäre freigekommen. Ich wandte den Blick vom Fernseher ab und schaute in die Ferne zum westlichen Horizont, wo sich Santa Monica an den Rand des Pazifiks schmiegte. Ich bildete mir ein, die Medienhubschrauber kreisen zu sehen.
    »Ob Jessup das je erfahren wird?«, sagte ich.

44
    Donnerstag, 8. April, 18:55 Uhr
    D ie Sonne sank tief auf den Pazifik hinab und brannte ein leuchtend grünes Band in seine Oberfläche. Etwa hundert Meter südlich vom Pier standen Bosch und Wright dicht nebeneinander am Strand und schauten auf einen kleinen in einen Frontpack integrierten Bildschirm, den Wright auf der Brust trug. Der Lieutenant leitete die SIS -Operation. Auf dem Bildschirm war ein verschwommenes Bild des schwach beleuchteten Lagerraums unter dem Pier zu sehen. Bosch hatte Kopfhörer bekommen, aber kein Mikrophon. Er konnte den Funkverkehr der Operation zwar mithören, aber nichts dazu beisteuern. Alles, was er zu sagen hatte, musste von Wright weitergegeben werden.
    Wegen des lauten Hintergrundrauschens der Wellen unter dem Pier waren die eingehenden Meldungen schwer zu verstehen.
    »Hier Fünf, wir sind drinnen.«
    »Sicht stabilisieren«, ordnete Wright an.
    Das Bild auf dem kleinen Monitor wurde schärfer, und Bosch konnte erkennen, dass die Kamera auf die Lagerabteile am Ende des Piers gerichtet war.
    »Diese da.«
    Er deutete auf die Tür, durch die er Jessup hatte gehen sehen.
    »Okay«, gab Wright über Funk durch. »Es ist die zweite Tür von rechts.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher