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Harry Bosch 07 - Dunkler als die Nacht

Harry Bosch 07 - Dunkler als die Nacht

Titel: Harry Bosch 07 - Dunkler als die Nacht
Autoren: Michael Connelly
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Raum geschah.
    Auf der anderen Seite der Glasscheibe stand ein Besprechungstisch, auf dessen einer Seite Rudy Tafero und sein Pflichtverteidiger, ein gewisser Arnold Prince, saßen. Tafero hatte weißes Heftpflaster auf der Nase und Watte in den Nasenlöchern. Außerdem war er am Kopf mit sechs Stichen genäht worden, was aber wegen seines dichten Haars nicht zu sehen war. Er war noch unten am Hafen von zwei Sanitätern verarztet worden.
    Auf der anderen Seite des Tisches saß Jaye Winston. Rechts von ihr war Alice Short von der Bezirksstaatsanwaltschaft. Links von ihr waren Deputy Chief Irvin Irving vom LAPD und Donald Twilley vom FBI. Die frühen Morgenstunden waren damit zugebracht worden, dass alle auch nur entfernt mit den Ermittlungen befassten Polizeibehörden sich um die optimale Ausgangsposition gerangelt hatten, um aus einem, wie alle wussten, potentiell bedeutenden Fall größtmöglichen Profit schlagen zu können. Inzwischen war es halb sieben Uhr morgens und Zeit, den Verdächtigen zu verhören.
    Man hatte sich darauf geeinigt, Winston das Verhör führen zu lassen. Schließlich war es von Anfang an ihr Fall gewesen. Die anderen drei würden alles verfolgen und ihr nötigenfalls mit ihrem Rat zur Seite stehen. Sie begann das Verhör, indem sie Datum, Uhrzeit und Identität der Anwesenden angab. Dann las sie Tafero seine verfassungsmäßigen Rechte vor und ließ ihn zur Bestätigung ein entsprechendes Formular unterschreiben. Dann erklärte Taferos Anwalt, sein Mandant werde im Augenblick keinerlei Aussagen machen.
    »Kein Problem«, sagte Winston, den Blick auf Tafero geheftet. »Er braucht nicht mit mir sprechen. Ich werde mit ihm sprechen. Ich will ihm schon mal einen ersten Eindruck von dem vermitteln, was ihn hier erwartet – damit es zu keinerlei Missverständnissen kommt und er hinterher nicht sagt, ach, hätte ich doch die Gelegenheit, mit der Polizei zu kooperieren, nicht verstreichen lassen, als sie sich mir bot.«
    Sie blickte auf den Ordner, der vor ihr lag, und schlug ihn auf. McCaleb konnte erkennen, dass das oberste Blatt ein Anzeigeformular der Bezirksstaatsanwaltschaft war.
    »Mr. Tafero«, begann Winston, »ich möchte Sie darauf hinweisen, dass wir Sie heute Morgen wegen Mordes ersten Grades an Edward Gunn am ersten Januar dieses Jahres anklagen, außerdem wegen versuchten Mordes an Terrell McCaleb zum heutigen Datum und wegen Mordes an Jesse Tafero, ebenfalls zum heutigen Datum. Ich weiß, Sie kennen das Gesetz, möchte Ihnen aber dennoch den letzten Anklagepunkt erklären. Der Tod Ihres Bruders ereignete sich während des Begehens einer Straftat. Deshalb werden Sie nach kalifornischem Recht als sein Mitverschwörer für seinen Tod zur Verantwortung gezogen.«
    Sie wartete einen Moment und blickte dabei unverwandt in Taferos anscheinend tote Augen. Dann machte sie sich daran, die Anklageschrift zu verlesen.
    »Des Weiteren setzte ich Sie davon in Kenntnis, dass sich die Bezirksstaatsanwaltschaft bereit erklärt hat, in Hinblick auf die Ermordung Edward Gunns besondere Umstände geltend zu machen, sprich: wegen Mordes gegen Bezahlung Anklage zu erheben. Die Hinzufügung dieses weiteren Anklagepunktes erhebt die Tat auf die Ebene eines mit der Todesstrafe geahndeten Vergehens. Alice?«
    Short beugte sich vor. Sie war eine zierliche, aber attraktive Frau Ende dreißig mit großen, einnehmenden Augen. Sie war der Deputy Chief, der für wichtige Prozesse zuständig war. Das war eine Menge Macht in so einem winzigen Körper – vor allem im Gegensatz zu der Statur des Mannes, der ihr gegenübersaß.
    »Mr. Tafero, Sie waren zwanzig Jahre bei der Polizei«, sagte sie. »Sie müssen sich der Schwere Ihrer Vergehen in aller Deutlichkeit bewusst sein. Mir fällt kein Fall ein, der mehr nach der Todesstrafe schreit. Wir werden ein Schwurgericht um sie bitten. Und ich habe keinerlei Zweifel, dass wir sie erhalten werden.«
    Nachdem der einstudierte Teil ihrer Vorstellung beendet war, lehnte sich Short in ihren Sitz zurück und übergab an Winston. Es kam zu einem langen Schweigen, als Winston Tafero anblickte und darauf wartete, dass er sie ebenfalls ansah. Schließlich hob er den Blick und richtete ihn auf sie.
    »Mr. Tafero, Sie kennen sich mit so etwas aus und Sie haben sich früher in Räumen ähnlich diesem oft in der entgegengesetzten Position befunden. Ich glaube, selbst wenn wir ein Jahr Zeit hätten, um uns etwas auszudenken, würde es uns nicht gelingen, Sie aufs Glatteis zu führen.
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