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Härtling, Peter

Härtling, Peter

Titel: Härtling, Peter
Autoren: Hölderlin
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Denkbezirke und wurden zu politisch ernstzunehmenden Gegnern der alten Ordnung.
    Erste individuelle Züge bekommt die Hölderlin-Figur, wenn Härtling sie in ihrem Zögern darzustellen beginnt. Hölderlin schließt sich, wenn er vom Terror erschüttert ist, der auf die lichten Tage der Französischen Revolution folgte, oder wenn ihn Napoleons Kaiserkrönung empört, keineswegs der Reaktion an. Er bleibt an der Seite von Freunden, von denen sich nur wenige durch ihre Niederlagen einschüchtern lassen, sondern sich weiter für die Freiheit einsetzen, und dennoch gewinnt er neben ihnen eine eigene Kontur. Seine Hemmungen, die er gedanklich zu durchdringen beginnt, machen ihn den republikanischen Praktikern Überlegen. Er hat im Vergleich zu Sinclair, der nicht einzusehen vermag, wie immer weltfremder seine Umsturzpläne werden, die größere Realitätseinsicht. Er kennt die Ängste seiner Zeitgenossen vor politischem Fortschritt und nimmt sie ernst. Gleichwohl, und darin scheint das Einzigartige dieser Figur auf, behalten seine Vorstellungen von Freiheit und Frieden die größere Reinheit.
    Von hier aus kann Härtling andeuten und mehr möchte er in seinem Roman auch nicht tun, worin er die Größe dieses Dichters sieht. Er begreift dessen Gedichte als Entwürfe, die neue Wirklichkeiten schaffen sollen. Der »Göttin Sohn« war einer dieser Entwürfe. Mit dieser Figur, einer Verbindung aus griechischer Gottheit, Christus und politischem Rebell, faßte er die Widersprüche des sich verwirrenden Freiheitsstrebens seiner Zeit zusammen und entwickelte zugleich eine Vision. Ein Träumer war Hölderlin nicht, er wußte, was Krieg bedeutet. Dennoch ließ er sich von den Kriegen, die ihn beinahe sein Leben lang begleiteten, keineswegs abhalten, im Nichtvorhandensein von Krieg schon Frieden zu sehen. Darin liegt das heute noch Unabgegoltene von Hölderlin, das Härtling in seiner Figur festhält. Allein die Vorstellung, daß keine Kriege mehr geführt würden, hat heute noch etwas Phantastisches.

IV.
    Provokant ist der Roman auch da, wenn Härtling über den privaten Hölderlin schreibt. Selbst Pierre Bertaux, der sich gründlich von jenen Philologen abgesetzt hat, die Hölderlin zu einem Kopfwesen ohne Leib stilisiert haben, fühlt sich peinlich berührt:
    »Ich weiß, es gehört zum guten Ton, daß Härtling dem Onanieren von Hölderlins Zögling, Fritz von Kalb, drei Seiten widmet, mit dem Hinweis, daß Hölderlin (ich zitiere) dabei ›dachte, wie sie es in Denkendorf und in Maulbronn getrieben hatten, nachts in den Schlafsälen (der Schule), sich gegenseitig anfeuernd …‹« Später schränkt Bertaux seinen Vorbehalt ein. Ihm widerstrebe die Art, wie Härtling sich mit Hölderlins Sexualität auseinandersetze. Aber auch bei ihm ist deutlich zu spüren, daß Härtling, indem er Hölderlin als Liebenden darstellt, eine Grenze überschritten hat.
    Zu Härtlings Hölderlin gehören komplizierte Liebesgeschichten. In Jena geht er nicht nur regelmäßig in die Vorlesungen von Fichte, dort trifft er sich genauso regelmäßig mit einer Frau, Wilhelmine Kirms, einer seiner Geliebten. Anders, aber ähnlich handfest, läßt Härtling auch die Beziehung in Frankfurt zu Susette Gontard verlaufen. Diese Lieben machen nicht nur ein wesentliches Element von Hölderlins Leben aus, wo immer er sich aufhält. Im Umgang mit Frauen bilden sich Empfindungsweisen heraus, die später dann, in gewandelter Form, ihren Ausdruck in seiner Dichtung finden. Härtling ist der erste, der Hölderlins erotische Wirklichkeit, seine brüchigen Leidenschaften umreißt und damit auch Hinweise zum Verständnis von dessen Gedichten liefert. Deren Farbe und Dichte ist nach der Lektüre des Romans leichter nachzuvollziehen.
    In allen Beziehungen zu Frauen spielt bei Härtlings Hölderlin immer noch eine zweite Frau eine tragende Rolle: Hölderlins Mutter. Ihr will Härtling ein kleines Denkmal errichten und widerspricht damit der landläufigen Meinung, diese Frau sei nur hartherzig und berechnend gewesen. Sie wird bei Härtling keineswegs als herzlos geschildert, als nur an Geld und standesgemäßem Fortkommen interessiert, eine Frau, die ihren Sohn fallenläßt, als dessen Krankheit ausgebrochen und das bürgerliche Lebenskonzept endgültig zerbrochen ist. Bei Härtling wird diese Figur nicht besser dargestellt, als sie gewesen sein wird, allerdings mit einem gravierenden Unterschied: Johanna liebt ihren Sohn. Und nach Härtlings Verständnis erwidert
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