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Haeppchenweise

Haeppchenweise

Titel: Haeppchenweise
Autoren: Claudia_Winter
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stammelnd und auf halber Höhe ab. Ich muss mich zu ihm hinunterbeugen, um ihn zu verstehen.
    „Er frisst ... verträgt nur ... Hühnchen.“ Sein Atem riecht nach einer Mischung aus Koffein und Nikotin. Mit einem Hauch von Oregano.
    „Ich weiß, Julius. Mach dir keine Sorgen um Hund.“
    Dann endlich ertönt das Heulen der Notarztsirene.
     
    „Wat het er denn? Ess ed sehr schlimm? Het er ...“
    Helga ist vollkommen außer sich. Sie klammert sich an den nächstbesten weiß bekittelten Arm und hört einfach nicht auf, zu stammeln. Der Notarzt, ein großer, schlaksiger Mann wirft einen flüchtigen Blick auf seinen Patienten und gibt den beiden Sanitätern zu verstehen, die Bahre in den Krankenwagenfond zu schieben. Dann windet er seinen Arm aus Helgas Schraubgriff und lächelt unverbindlich.
    „Sind Sie die Ehefrau?“
    Helga wird puterrot.
    „Nein, alsu ... isch bin de Küchenhilfe ... isch meine, mer arbeite zosamme ...“
    Sieht aus, als bräuchte die Ärmste Schützenhilfe. Ich nehme ihre Hand, die sich heiß und feucht anfühlt.
    „Frau Krause ist Herrn Zanders Lebensgefährtin. Er hat sonst keine Angehörigen, also seien Sie bitte so nett.“ Hoffentlich hört der arrogante Kerl meinen kriegerischen Unterton.
    Der Arzt zwinkert und räuspert sich. Helga wird noch eine Spur röter.
    „Schätze, es handelt sich um einen Bandscheibenvorfall. Ist aber nur eine Vermutung, keine Diagnose. Die erhalten Sie vom Orthopäden im Klinikum.“
    Ein markerschütternder Schrei schalt aus dem Krankenwageninnern.
    „Sind Sie bekloppt, Sie Pflaumenaugust?! Bandscheiben ... Schmarrn! Katta, lass dir von dem Kackstiefel bloß nix weismachen! Der Grünschnabel hat doch null Ahnung von ...“
    Mit einem heftigen Rums schlägt der junge Sanitäter die Rettungswagenklappe zu und sperrt Julius´ Verwünschungen im Wageninnern ein. Helga schluchzt auf, der Notarzt sieht mich entgeistert an. Ich lächle freundlich zurück. Hätte nie gedacht, dass ich Julius’ Schimpfwörter mal als tröstlich empfinden könnte.
    „Ja dann Herr Doktor ... Viel Spaß noch.“
     
    Der Krankenwagen ist längst um die Ecke gebogen. „Hund“ presst seinen Kopf an meine Wade, während meine Rechte unablässig den seidenweichen Nacken knetet. Bis heute begreife ich nicht, weshalb Julius nie einen anständigen Namen für den netten, kleinen Kerl übrig hatte. Ich stehe so nah am Fenster, dass die Scheiben von meinem Atem beschlagen und die Häuserzeilen der Brüsseler Straße im Nebel verschwinden. Die Tarotkarte hat in meiner Hosentasche gelitten, die Kanten sind verknautscht. Abwesend mustere ich die Zeichnung von dem brennenden Turm. Trotz der Sommerhitze fröstele ich.
    Dabei bin ich nicht abergläubisch, nie gewesen. Beim Gläserrücken habe ich als Teenager immer geschummelt und jeder Kaffeesatz blieb ein Haufen gemahlene Kaffeebohnen, egal wie angestrengt ich hinein starrte. Das Ganze verursachte lediglich eine Riesenschweinerei auf dem Esstisch. Doch seit mein erster Kochbuchladen einem Großbrand zum Opfer gefallen ist, liegt auf meinem Schreibtisch ein Deck Tarotkarten, aus dem ich die Prophezeiung des Tages ziehe, ehe ich die Ladentür des Cook & Chill öffne. Nur so zur Sicherheit, falls ich mich bezüglich der übersinnlichen Kräfte irren sollte. Heute habe ich den Turm erwischt. Wer ahnt denn schon, dass die Unglückskarte ein ernst zu nehmendes Omen sein könnte?
    „Katta?“
    „Hm?“
    „Auch wenn jetzt ein ungünstiger Zeitpunkt ist, ... ich muss dringend mit dir reden.“
    Sascha lehnt in der Tür. Der abblätternde Lack des Rahmens streut dunkelblaue Farbkrümel auf sein Jackett, das aussieht, als sei es ihm zwei Nummern zu groß. Wie gewöhnlich klemmt unter seiner Achsel irgendein ledergebundener Schmöker und verleiht seiner schlaksigen Gestalt eine merkwürdige Schieflage. Mir schwant Ungutes. Nicht nur, weil Sascha einen Hang zu schwerer Literatur besitzt.
    „Setz dich.“
    Ich zeige müde auf den Besprechungsstuhl. Sascha zögert kurz, räumt einen Stapel ungeöffneter Briefumschläge vom Sitz und lässt sich vorsichtig nieder.
    „Ich fürchte, ich vermiese dir den Tag komplett.“ Seine wasserblauen Augen blicken mich traurig an.
    „Spuck´s aus, Kleiner.“
    „Ich ... ich bekomme das Stipendium jetzt doch. Ein Kandidat ist kurzfristig abgesprungen und ich stehe als Erster auf der Warteliste, deshalb ...“
    Die Freude überwältigt mich. Spontan hüpfe ich von meinem Stuhl.
    „Oh, wie fantastisch! Ich bin so stolz
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