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Haben Sie das von Georgia gehoert

Haben Sie das von Georgia gehoert

Titel: Haben Sie das von Georgia gehoert
Autoren: Mark Childress
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zu, um sicher zu sein, dass Mama die Einzelheiten nicht durcheinanderbrachte. Dann goss sie sich ein großes Glas Rotwein ein und ging damit zum Feiern in den eiskalten Wintergarten.
    Sie freute sich auf die besänftigende Wirkung des Weins. Ihr ganzer Körper schmerzte und kribbelte. Das war der Nachklang des Traumas, das sie in der Kirche erlebt hatte – als hätte sie einen elektrischen Draht berührt oder als wäre sie wirklich in Ohnmacht gefallen. Dass Eugene versucht hatte, sie zu verraten, fand sie nicht nur schockierend, sondern auch demütigend. Georgia war es nicht gewohnt, dass ihr Privatleben in bedrohlicher Weise vor der Gemeinde ausgebreitet wurde. Der erste Stich der Zurückweisung wurde rasch durch ein Gefühl der Entschlossenheit ersetzt.
    In einer Affäre sollten beide Beteiligten das Recht haben, jederzeit Schluss zu machen. Das war einer der Gründe, weshalb sie nie geheiratet hatte: Sie hielt sich gern alle Möglichkeiten offen. Die Menschen waren von Natur aus so wankelmütig, dass sie verstand, weshalb manche einen rechtlich verbindlichen Vertrag brauchten, der ein Versprechen des Herzens untermauerte. Aber zumindest Georgias Leben war zu kompliziert, um es schriftlich zu fixieren.
    Wenn Eugene Schluss machen wollte, okay – aber musste er es von der Kanzel brüllen? Das konnte sie einfach nicht zulassen. Sie behandelte ihre Affären diskret, und niemand ahnte, was sie so trieb. Nur selten musste sie die Axt auf jemanden fallen lassen. Aber es war gut zu wissen, dass sie es immer noch konnte, wenn es sein musste.

    Sie trank ihren Wein in kleinen Schlucken und wartete. Dann kam das Gehgestell durch den Flur heran. Auf den Vorderbeinen steckten zur Verbesserung der Bodenhaftung aufgeschnittene Tennisbälle. »Alles erledigt, Baby.«
    »Mama, du kannst Wunder wirken. Erinnere mich daran, dass ich dir zu Weihnachten einen Nerzmantel schenke.«
    Mama schnaubte. »So kalt, wie du es hier drinnen hast, könnte ich einen gebrauchen. Frieren dir nicht die Füße ab? Meine Zehen sind schon kleine Eiswürfel.«
    Little Mama fragte nicht, warum ihre Tochter wollte, dass sie einen solchen Anruf tätigte. Sie machte einfach, was man ihr sagte. Eugene und Brenda würden gar nicht wissen, was ihnen da auf den Kopf gefallen war.
    Little Mama brachte ihr Gehgestell vor dem Sofa zum Stehen.
    »Zieh Socken an, wenn du frierst«, sagte Georgia. »Wenn du barfuß herumläufst, ist es ja kein Wunder.«
    Sie schlug die Gelben Seiten für Montgomery auf, suchte nach den Umzugsfirmen und entschied sich für Charlie Ross Regal Moving, weil ihr der Name gefiel – »Königliche Umzüge« –, und die Zeichnung dabei noch mehr: Charlie Ross trug eine juwelenbesetzte Krone und ritt peitschenschwingend auf seinem Umzugslaster wie auf einem bockenden Wildpferd. Eine Umzugsfirma mit einem Sinn für Lächerlichkeit, das mochte sie. Sie wählte die Nummer und erklärte einer freundlichen Frau namens Shirley, worum es ging.
    »Und Sie heißen …?«, fragte Shirley.
    »Brenda Hendrix«, antwortete Georgia. »Ich weiß, es ist schrecklich kurzfristig. Können Sie denn wirklich gleich morgen früh einen Laster herschicken?«

    »Heute ist Ihr Glückstag. Jemand hat uns abgesagt«, erklärte Shirley. »Ich schicke Ihnen meine beste Kolonne.«
    Georgia bedankte sich und legte auf. Sie nahm ihren Notizblock und studierte die Liste für ihren September-Lunch: drei eng mit der Hand beschriebene Seiten mit Dingen, die noch erledigt werden mussten. In nur achtundvierzig Stunden würden die ersten Gäste ihre Autos in der Magnolia Street parken. »Was meinst du, Mama? Hühnersalat oder Paprikakäse?«
    »Wofür?«
    »Für das Sandwichbuffet auf dem Tisch im Flur.«
    »Hühnersalat«, sagte Little Mama. »Heutzutage vertragen manche Leute keinen Käse mehr. Ich kapiere das nicht – früher hatte kein Mensch etwas gegen Dinge wie Käse. Wenn wir noch eine Farbige hätten, dann könntest du ihr sagen, sie soll beides machen, und die Leute könnten essen, was sie wollen. Das ist alles bloß wegen dieser verdammten Rosa Parks.«
    »Jetzt fang nicht wieder damit an …« Little Mama konnte einen zu Tode langweilen, wenn sie auf Rosa Parks zu sprechen kam, die sie für jedes Elend verantwortlich machte, das seit 1955 in die Welt gekommen war. Wenn die freche Göre sich in diesem Bus in Montgomery nicht hingesetzt hätte, wäre vielleicht alles so geblieben, wie es in Little Mamas Jugend war: Damals hatte die Gallone Benzin neunzehn
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