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Gwydion 04 - Merlins Vermächtnis

Titel: Gwydion 04 - Merlins Vermächtnis
Autoren: Peter Schwindt
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wehmütig über das Holz. „Ja, der Gedanke gefällt mir.“
    „Herr, ich mahne nur ungern zur Eile“, meldete sich jetzt Daffydd zu Wort. „Aber wir haben anlässlich Eurer Rückkehr noch etwas vorbereitet. Alle warten schon darauf, dass das Fest endlich beginnen kann.“
    Gwyn rieb sich müde die Augen und stemmte sich ächzend aus dem Sessel. „Königliche Pflichten nennt man das wohl.“
    Daffydd lächelte schief, als wollte er sagen, dass so nun einmal das Leben sei.
    „Aber vielleicht sollte ich mich erst waschen und umziehen. Daffydd, könntet Ihr vielleicht dafür sorgen, dass jemand meine Sachen holt?“
    „Schon geschehen.“
    „Oh“, machte Gwyn nur. „Ihr seid sehr umsichtig.“
    Daffydd lächelte sichtlich erfreut über das Kompliment.
    Tatsächlich hatten fleißige Hände bereits einen Trog mit heißem Wasser sowie einige Tücher gebracht, mit denen Gwyn sich abtrocknen konnte.
    Als er sich nach seiner Wäsche den Waffenrock Camelots anziehen wollte, vernahm Gwyn Lancelots Stimme.
    „Ein wenig unpassend, dieses Kleidungsstück. Findest du nicht?“
    Gwyn faltete den Rock wieder zusammen und legte ihn auf sein Bett. „Es hat Tage gegeben, an denen ich meine rechte Hand dafür gegeben hätte, das Zeichen des roten Drachen tragen zu dürfen.“
    „Ja, ich auch“, sagte Lancelot leise. „Doch die Zeiten ändern sich.“
    „Nein“, erwiderte Gwyn. „Es sind nicht die Zeiten, die sich ändern. Es sind die Menschen.“ Er drehte sich zu Lancelot um. „Was habt Ihr da?“
    „Oh, das!“ Lancelot tat, als sei ihm das Bündel in seinen Händen gerade erst wieder eingefallen. „Gilda lässt sich entschuldigen. Sie sagt, mit ein wenig mehr Zeit hätte sie bessere Arbeit geleistet.“ Er warf Gwyn das Bündel zu. „Ich habe ihr gesagt, sie soll ihre Fähigkeiten nicht so unter den Scheffel stellen. Ich finde, es ist perfekt geworden.“
    Gwyn rollte es auseinander. „Oh mein Gott“, murmelte er. Es war ein Waffenrock, auf dessen Brust das Wappen eines springenden Einhorns genäht war, das von einem schwarzen Raben gekrönt wurde.
    „Gilda wird in der nächsten Zeit sehr viel zu tun haben“, fuhr Lancelot fort. „Wir benötigen noch mindestens zwei Dutzend dieser Überwürfe.“
    Gwyn streifte das Kleidungsstück über, legte einen Gürtel an und nahm einen silbernen Obstteller, um sein Ebenbild betrachten zu können. Vorsichtig strich er mit der Hand den Stoff über der Brust glatt. „Daffydds Frau hat wirklich ein gutes Augenmaß“, murmelte er. „Er passt wie angegossen.“
    „Ja, Gwyn.“ Lancelot musterte ihn. „Du siehst einem König immer ähnlicher.“
    Gwyn verzog das Gesicht zu einem bitteren Lächeln und drehte sich zu dem Ritter um, dem er bis vor Kurzem noch als Knappe gedient hatte.
    „Verzeih“, sagte Lancelot erschrocken, als ihm bewusst wurde, was er gerade gesagt hatte. „Ich wollte dich nicht beleidigen.“
    „Ihr habt nur ausgesprochen, was ich selbst denke. In Momenten wie diesen frage ich mich auch, ob ich nicht einfach nur ein anmaßender kleiner Schweinehirte bin.“
    „Gwyn, deine Kindheit hat dich zu dem gemacht, was du bist. Und erlaube mir die Bemerkung: Dein Leben als Bauernjunge hat nicht gerade die schlechtesten Teile deines Charakters in dir hervorgebracht. Nun aber bist du ein König, und dein Volk hat ein Recht darauf, dass sein Wohlergehen von nun an dein höchstes Ziel ist.“
    „Ihr seid nie um ein offenes Wort verlegen, nicht wahr?“ Lancelot zuckte mit den Schultern. „Ich habe mittlerweile ein Alter erreicht, in dem ich niemandem mehr schmeicheln muss. Du kannst meinem Rat vertrauen oder es bleiben lassen. Es liegt bei dir.“ Er ging auf Gwyn zu und zog mit einem Ruck dessen Rock zurecht. Es war eine sehr väterliche Geste. Lancelot trat einen Schritt zurück und nickte zufrieden. „Du solltest jetzt gehen. Dein Volk wartet auf dich.“
    Gemeinsam schritten sie die Treppe hinunter, Gwyn voran, während Lancelot ihm in einigem Abstand folgte. Als sie unten angekommen waren, warf Gwyn einen kurzen Blick in die große Halle. Sie war leer. Er schaute Lancelot fragend an, doch der zeigte nur auf die große Tür, die hinaus in den Burghof führte. Gwyn schob den Riegel beiseite und stieß die beiden Flügel mit aller Kraft auf.
    Unter ihm hatten sich am Ende der Treppe im Schein der Fackeln und Feuerschalen die Bewohner des Dorfes versammelt und knieten nun mit gesenktem Haupt nieder. Lancelot schritt an Gwyn vorbei, um sich zu den anderen
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