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Gute Nacht, mein Geliebter

Titel: Gute Nacht, mein Geliebter
Autoren: Inger Frimansson
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schon seit den Sechzigern. Niemand war es gelungen, ihr das abzugewöhnen. Nicht einmal Flora.
     
    In ihrem grünen Hauskleid ging sie anschließend in die Küche und holte sich eine Schüssel Naturjoghurt. Der Vogel hatte sich auf dem Fensterbrett niedergelassen. Er glotzte aus einem Auge und grummelte, als wäre er unzufrieden. Draußen auf dem Weg hüpfte eine Amsel, winterfett und aufgeplustert. Im Winter veränderte sich ihr Gesang, wurde eintönig und schrill, als schlage jemand eine hart gespannte Gitarrensaite. Der andere Gesang, der gleichzeitig wehmütig und jubilierend war, verschwand irgendwann im Spätsommer, um Ende Februar wieder zu neuem Leben zu erwachen. In der Krone eines sehr hohen Baumes.
    Ihr ganzes Leben hatte Justine im gleichen Haus verbracht, in Hässelby Villastad, nahe am Wasser. Es war ein schmales, hohes und kleines Steinhaus, passend für zwei oder drei Personen. Mehr hatten hier auch nie gewohnt, von der kurzen Zeit mit dem Kind einmal abgesehen.
    Justine war als Einzige noch da, sie konnte es so einrichten, wie sie wollte. Bisher hatte sie allerdings das meiste so belassen, wie es war. Sie schlief in ihrem Mädchenzimmer mit den ausgebleichten Tapeten, konnte sich nicht dazu überwinden, in Papas und Floras Schlafzimmer zu ziehen. Dort war das Bett gemacht wie immer, als könnten beide jeden Moment zurückkommen, und ein paar Mal im Jahr nahm Justine die Tagesdecke herunter und wechselte die Laken.
    In der Kleiderkammer hingen ihre Kleider, Papas Anzüge und Hemden links und all die zierlichen Kostüme Floras auf der anderen Seite der Stange. Die Schuhe waren von einer dünnen Staubschicht bedeckt. Manchmal dachte Justine daran, die Staubschicht zu entfernen, brachte es aber nicht einmal über sich, sich zu bücken und die Schuhe zu berühren.
    Die Kommode wischte sie ab, wenn sie Lust bekam, etwas zu pflegen. Sie ging mit Fensterputzmittel über das Glas des Spiegels und rückte die Haarbürste und die kleinen Parfümflaschen ein wenig hin und her. Einmal hatte sie Floras Bürste in Richtung Fenster gehalten und die langen grauen Haare angestarrt. Sie hatte sich fest in die Backe gebissen und eines der Haare mit einer schnellen Handbewegung losgerissen. Dann ging sie auf den Balkon und zündete es an. Es brannte, begleitet von einem beißenden Geruch, kräuselte sich und verschwand.
     
    Es wurde bereits dunkel. Sie war jetzt im oberen Flur, zog einen Stuhl zum Fenster, schenkte sich ein Glas Wein ein. Das Wasser des Mälarsees glitzerte, schaukelnde Lichter von der Außenbeleuchtung des Nachbarhauses. Sie war programmiert, ein Timer schaltete sie in der Abenddämmerung ein. Nur selten war jemand zu Hause, und sie kannte die Leute auch nicht, die dort jetzt wohnten.
    Das machte nichts.
    Sie war allein. Es stand ihr frei, all das zu tun, was sie sich vorgenommen hatte, was getan werden musste, damit sie wirklich eins mit sich selbst werden konnte. Ein starker und lebendiger Mensch wie alle anderen.
    Darauf hatte sie ein Recht.

2. KAPITEL
    Er hatte die Weihnachtstage bei seinen Eltern verbracht, ruhige Tage, ereignislos. Heiligabend war es schön gewesen, die Bäume mit Raureif überzogen. Seine Mutter hatte eine Laterne in die alte Birke gehängt, so wie sie es immer getan hatte, als sie noch klein waren, und er erinnerte sich seiner und Margaretas überdrehter Aufregung, wenn sie am Morgen des Heiligabends erwachten.
    Seine Mutter bestand darauf, dass er Weihnachten nach Hause kam. Was sollte er auch sonst tun? Trotzdem ließ er sich bitten, ließ sie betteln und flehen, als müsste er sich ständig vergewissern, wie viel er ihr immer noch bedeutete.
    Wie das bei seinem Vater war, wusste er nicht so genau. Kjell Bergman war kein Mann, der Gefühle zeigte. Ein einziges Mal hatte Hans Peter gesehen, dass er die Fassung verlor, hatte er einen Ausdruck von Schmerz über das breite, fleischige Gesicht gleiten sehen. Es war in jener Nacht, als die Polizei kam, um ihnen mitzuteilen, dass Margareta von der Straße abgekommen war. Das war mittlerweile achtzehn Jahre her, damals hatte Hans Peter noch zu Hause gewohnt.
    Der Tod seiner Schwester hatte für ihn zur Folge, dass er seinen Auszug von zu Hause verschieben musste. Er war als Einziger noch da, und seine Eltern brauchten ihn.
    Er war fünfundzwanzig, als es geschah, und mitten in seinen Bemühungen, seiner Zukunft eine Struktur zu geben. Er studierte Theologie und Psychologie. Irgendwo in seinem Innersten gab es eine Sehnsucht nach
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