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Guido Guerrieri 03 - Das Gesetz der Ehre

Guido Guerrieri 03 - Das Gesetz der Ehre

Titel: Guido Guerrieri 03 - Das Gesetz der Ehre
Autoren: Gianrico Carofiglio
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uralten Rechnungen zu begleichen hatte.
    Ich musste diesen Auftrag ablehnen, ohne die Akte auch nur einzusehen. Das wäre für alle das Beste.
    Ich würde in spätestens zwei Tagen ins Gefängnis zurückkehren und ihm mitteilen, dass ich seine Verteidigung nicht übernehmen konnte. Ob ich den wahren Grund nannte oder eine Ausrede erfand, war egal.
    Fest stand nur, dass ich diesen Auftrag nicht annehmen konnte.

4
    T eresa klopfte an meine Tür, steckte den Kopf herein und meinte, Frau Kawabata sei hier.
    »Wer?«
    Teresa trat ein, schloss die Tür und sagte, Frau Kawabata sei wegen des Falles Paolicelli gekommen.
    »Aber Kawabata ist ein japanischer Name.«
    »Ich glaube schon. Die Frau sieht auch aus wie eine Japanerin.«
    »Und was, bitte, hat sie mit Paolicelli zu tun?«
    »Ziemlich viel – sie ist mit ihm verheiratet. Sie sagt, sie bringe eine Kopie der Akte vorbei.«
    Ich erkannte sie, sobald sie den Fuß über die Schwelle setzte.
    Sie sagte guten Abend, reichte mir die Hand und setzte sich auf den Stuhl vor meinen Schreibtisch – ohne den Mantel abzulegen, sie knöpfte ihn nicht einmal auf. Ihr Parfüm war unaufdringlich, Ambra-Essenz mit einer etwas herberen Note, die ich nicht benennen konnte. Aus der Nähe betrachtet, wirkte sie nicht ganz so jung und noch schöner als vor ein paar Tagen im Gericht.
    »Ich bin die Frau von Fabio Paolicelli und bringe Ihnen die Kopien seiner Prozessakte und des Urteils.«
    Ihr Italienisch hatte kurioserweise einen leicht neapolitanischen Akzent. Sie leerte ihre Tasche, legte einen Packen Fotokopien auf meinen Schreibtisch und fragte mich, ob wir ein paar Minuten miteinander reden könnten. Selbstverständlich konnten wir das. Dafür wurde ich schließlich bezahlt.
    »Ich muss wissen, ob es für Fabio in zweiter Instanz Hoffnung gibt und wenn ja, welche.«
    Keinerlei Vorrede also. Aus ihrer Sicht völlig verständlich. Ich aber kam ohne Vorrede nicht aus. Und das nicht nur, um professionell zu wirken.
    »Das kann ich Ihnen so nicht sagen. Vorher müsste ich das Urteil lesen, und vor allem die Prozessakte.«
    Außerdem weiß ich noch gar nicht, ob ich den Fall überhaupt annehme. Aber das sagte ich nicht.
    »Fabio hat Ihnen doch erzählt, worum es geht.«
    Ich reagierte gereizt. Was wollte sie? Dass ich allein anhand dessen, was mir der Verurteilte im Gefängnis erzählt hatte, eine umfassende Diagnose stellte?
    »Ihr Mann hat mir einen ersten Überblick verschafft, aber wie ich Ihnen bereits sagte...«
    »Wenn Sie mich fragen, gibt es wenig Hoffnung auf einen Freispruch, auch im Berufungsverfahren. Ich habe aber gehört, dass es möglich ist, mit dem Richter eine Art Kompromiss auszuhandeln. Fabio könnte mit sechs, sieben Jahren davonkommen. In zwei bis drei Jahren gewährt man ihm vielleicht den ein oder andern Freigang... vielleicht sogar diesen... wie heißt das noch gleich?«
    »Halboffener Vollzug heißt das.« Ihr Ton ärgerte mich ein wenig. Ich habe generell etwas gegen Mandanten – oder schlimmer noch, Angehörige von Mandanten -, die sich etwas angelesen haben und dir vorschreiben wollen, was du tun und lassen sollst.
    »Schauen Sie, Signora«, ich hasste meinen herablassenden Ton, sobald ich den Mund auftat. »Wie ich Ihnen bereits sagte: Bevor ich die Akte nicht gelesen habe, kann ich keine vernünftige Aussage machen. Und um Alternativen zu überlegen, einschließlich derer, die Sie gerade erwähnten, muss man sich wirklich gut mit der Materie auskennen – auch mit prozesstechnischen Aspekten, die Laien vielleicht nicht bis ins Detail kennen.«
    Kurz, der Anwalt bin ich. Du beschäftigst dich besser mit Ikebana, Teezeremoniellen oder was immer du willst. Und im Übrigen ist gar nicht gesagt, dass ich diesen faschistischen Schläger – und vermutlich auch Drogendealer -, mit dem du da verheiratet bist, verteidigen werde. Denn mit ihm und seinen Freunden habe ich seit ungefähr dreißig Jahren noch eine Rechnung offen, nur damit du’s weißt.
    Das war es, was ich wortwörtlich dachte. Ohne zu merken, wie schnell ich von der Überzeugung, dass ich den Auftrag ablehnen würde, zum Zweifel, ob ich ihn annehmen sollte, übergegangen war.
    Die Frau verzog das Gesicht, was sie nur noch schöner aussehen ließ.
    Mein Anwaltsgebaren missfiel ihr. Sie wollte, dass ich sie auf irgendeine Weise beruhigte. Und sei es, indem ich ihr sagte, es gebe keine Alternative zu der von ihr angesprochenen Lösung, also dem, was man im italienischen Strafrecht einen Antrag auf
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