Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Gründergeschichten

Titel: Gründergeschichten
Autoren: Campus
Vom Netzwerk:
über den Jordan geht.«
    Abgesehen davon: »Nur Schrauben wären auf Dauer zu langweilig gewesen«, sagt der Mann, landauf, landab auch »Schrauben-König«
     genannt. Die Schrauben sind nach wie vor der »Hauptmarktplatz«, wie er sich ausdrückt: »Schrauben, Dübel, Beschläge, chemisch-technische
     Produkte, Elektrowerkzeuge, Handwerkzeuge« – inzwischen insgesamt 100 000 Artikel. Kurz und wie laut Eigenwerbung: »Würth
     – der Montageprofi«. Schon vor 25 Jahren hat der Umtriebige, und das wurde damals – vorsichtig ausgedrückt – als sehr optimistisch
     von seinen Mit-Entscheidern befunden, die Würth Elektronik gegründet, »die heute einen Jahresumsatz von 300 Millionen Euro
     macht und schöne Gewinne erwirtschaftet« freut sich Würth. Vor 15 Jahren gründete er eine Leasing-Gesellschaft, »die stolz
     dasteht«. Außerdem gehören Würth seit 2005 das Internationale Bankhaus Bodensee und vier Hotels. Voriges Jahr startete die
     Würth Gruppe noch einmal ein Riesenprojekt und investierte 55 Millionen Euro in eine Solarzellenfertigung, »mit dem modernsten
     Verfahren, das es gibt«, so Würth, nämlich »auf Glasplatten, nicht mit Silizium, sondern mit Kupfer, Indium und Selen«. Und
     gerade baut er eine Schraubenfabrik in China.
     
    Diese Neugier und Beweglichkeit: Woher kommt sie? Schon Reinhold Würths Mutter Alma, zu der er, solange sie lebte, eine sehr
     enge Beziehung hatte, blickt überdurchschnittlich |247| munter und fröhlich in die Kamera. Der Vater ist zunächst angestellter Schraubenhändler und als solcher viel unterwegs. »Der
     hat gerne meine Mutter und mich als kleinen Pimpf mitgenommen. Wir haben mehrere Wochen in Basel gewohnt. Eine meiner frühesten
     Kindheitserinnerungen ist, wie wir 1941 in Wien waren zum Schrauben verkaufen.«
    Im Jahr 1945, Würth ist zehn, sein kleiner Bruder Klaus-Frieder ist gerade ein Jahr alt, Deutschland liegt in Trümmern, macht
     Adolf Würth seinen eigenen Schraubenhandel in Künzelsau auf. Sehr optimistisch, denn: Wie holt man Schrauben bei Lieferanten
     ab und bringt sie an den Mann, wenn die meisten Verkehrswege unterbrochen sind? Zwei Brücken über den Fluss Kocher, an dem
     Künzelsau liegt, hatten die deutschen Truppen beim Rückzug zerstört, die Eisenbahn war durch die Alliierten zerbombt. Ein
     Auto? In dieser Zeit unerreichbar. Würth senior und junior ziehen also mit dem Ochsenkarren durchs Hohenlohische, auch mit
     dem Leiterwagen, manchmal zehn Kilometer pro Strecke, und für alle, die noch nie in der Gegend um Künzelsau waren: Würths
     Heimat besteht aus Bergen. Seine Erinnerung an die Zeit: »Schneematsch, Trümmer, kalte Füße.« Was die jedoch immer vorwärts
     treibt, ist die Nachfrage. Das kaputte Deutschland hat gigantischen Reparaturbedarf.
    Nebenher besucht Reinhold Würth die Oberschule für Jungen. Die ging damals, so wie heute die Realschule, eigentlich über sechs
     Jahre, aber sein Vater nahm ihn nach der Schulpflicht von der Lehranstalt.« Das findet der Junior, damals 14, bis heute nicht
     wirklich schade, denn: »Schule, das war die schlimmste Zeit in meinem Leben.« Nur die Englischlehrerin, die ihn nachmittags
     kommen ließ, weil er die |248| unregelmäßigen Verben nicht konnte, hat ihn beeindruckt. »To do, did, done. Solange ich das nicht konnte, durfte ich nicht
     heim. Ich habe in meinem Leben nie eine Stunde Chemie- oder Physikunterricht erlebt. Die Ausbildung war von der Schulseite
     her echt primitiv.« Das, was zählt, lernte er im Leben. »Herr Professor« sprechen ihn seine Mitarbeiter heute an, denn er
     hat an der Universität Karlsruhe einen Lehrstuhl für Entrepreneurship mit aufgebaut. »Ich extemporiere heute einen zweistündigen
     Vortrag in Englisch, das ist überhaupt kein Problem«, sagt Würth. Er ist seinem »Vater unendlich dankbar, dass er so entschieden
     hat. Der sagte: ›Wenn mir was passiert, ist keiner da‹«.
    Reinhold ging also bei Vater Adolf in die Lehre, von 1949 bis 1952. Das war hart. »Da hat’s auch hinter die Löffel gegeben,
     wenn’s nicht so funktioniert hat, wie er sich das vorgestellt hat. Hat nichts geschadet, im Gegenteil.« Und als der Stift
     stolz von einer Reise ins Rheinland zurückkehrt, die Tasche voller Kundenbestellungen, reagiert der Vater typisch schwäbisch:
     »Net gschimpft isch gnug globt.« Heimlich, bei seiner Frau, schwärmt Adolf Würth allerdings vom tüchtigen Filius. Das wird
     sie dem aber erst viel später verraten. Der Vater ist da
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher