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Grippe

Grippe

Titel: Grippe
Autoren: Wayne Simmons.original
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bemüht in den Rückspiegel, dann stierte er sie trotzig an und trat fester aufs Gaspedal.
    Geri sah ihm in die Augen, wollte ihn milde stimmen. Er hatte sie nicht erschossen, obwohl ihm ihr Niesen aufgefallen war, also besaß er wohl ein bisschen Anstand. Hätte er bloß gebremst und sie einsteigen lassen. Sie wollte doch auch fort von ihnen.
    Das Scheppern nahm noch größere Ausmaße an, zumal mehrere Tote aus den zahlreichen Seitengassen auf die Hauptstraße strömten. Sie umzingelten das Auto. Nun war es zu spät, sie noch irgendwie zu umgehen, also musste sich Geri festhalten und auf das Beste hoffen.
    Wie bei einem Unfallbericht im Fernsehen konnte sie die Augen nicht abwenden. Sie sah sie klar und deutlich, ihre kranke Erscheinung: geronnenes Blut und dunkler, krustiger Schleim, die schmierige und von der Sonne gebleichte Haut. Manche waren nackt, andere trugen ihre Totengewänder, Krankenhaushemden oder Schlafanzüge. Einige muteten noch recht menschlich an, als hätten sie sich nur verkleidet. Ihre Augen allerdings waren tot, die Blicke kalt und unstet. Ihr Schlurfen kratzte laut auf der stark verschmutzten Straße, was nach einer müden Beifallsbekundung klang. Die Stimmen – ein tiefes Grollen – durchbrachen die Stille passenderweise wie Stadiongesang – aufsässig und sinnentleert. Ein trunkenes, abgeschlagenes Brabbeln.
    Der Maskierte versuchte, mit seinem wüsten Derry-Akzent gegen den Escort und das Rudel anzuschreien, während er Geri weiterhin mit der Waffe bedrohte. Sie hing sprichwörtlich über dem Abgrund und bangte um ihr Leben.
    Die Raserei der Angreifer schien sich auf einen Höhepunkt zuzubewegen. Sie fielen sich gegenseitig über die Füße in ihrer Vorfreude auf frisches, warmes Fleisch, von dem sie offenbar unbedingt kosten wollten. Geri kam sich vor wie samstagabends auf den Shaftsbury Square, wo man sich die Nacht in Pubs und Clubs um die Ohren haute – überall hungrige Leiber, die nach Fastfood lechzten, wenngleich diese hier weder Pommes, Hamburger noch asiatisches Futter suchten. Ihre Nasen erschnüffelten gesellschaftlich verpönte Speisen – das Fleisch von Geri McConnell und den Duft ihrer Unbescholtenheit, reines, nicht kontaminiertes Blut und von der Sonne geküsste Haut. Sie rochen ihr Leben, obschon Geri selbst Todesängste ausstand.
    Der Wagen scherte plötzlich aus, aber sie ließ nicht los. Tränen rannen ihre Wangen hinunter, während sie den Maskenträger flehentlich durch die angelaufene Windschutzscheibe anstarrte. Ihr war klar, dass er, sobald sie von der Motorhaube rutschte, davonrasen und sie allein zurücklassen würde. Dann wäre sie dem Mob ausgeliefert, also krallte sie sich noch fester, auch weil sie wirklich keine Alternative sah. Sie wollte nicht auf sich allein gestellt bleiben. Was anderen geschehen war, die man im Stich gelassen hatte, stand ihr noch lebhaft in Erinnerung.
    Schließlich gingen die Nerven mit dem Fahrer durch. Diesmal brachte er den Motor nicht nur auf Hochtouren, sondern preschte tatsächlich los und fort von den gefährlich nahen Stimmen. Er versuchte, anderen Kadavern auszuweichen, rammte dabei jedoch einige. Geri spürte mit jeder Berührung deren klammes, fauliges Fleisch. Sie hielt durch, indem sie das Gesicht gegen die glitschig verdreckte Haube presste und auf die Zähne biss. In Tränen aufgelöst kreischte sie weiter. Da ihre Handflächen verschwitzt waren, rechnete sie jede Sekunde damit, dass der beschleunigende Wagen sie abwarf. Der Fahrtwind, das Motorengeräusch sowie das kehlige Gestöhn – heute lauerten sie echt überall! – waren ohrenbetäubend. Kurve um Kurve schlitterte das Auto, obwohl die Straße trocken war, und passierte die meisten der aufgeweckten Toten. Ein Spiegel entglitt ihr, doch die andere Hand packte weiterhin fest zu. Kurz schrappte sie mit den Füßen über den Asphalt. Der strenge Geruch von verbranntem Gummi stach sofort in ihre Nase, als sie über die Straße schleifte, und als sie sich die Haut aufschürfte, spürte Geri sengenden Schmerz. Sie schrie wie am Spieß. Zwar gelang es ihr, die Füße hochzuziehen, doch dabei verlor sie den letzten Halt. Gleichzeitig bremste die Karre mit dramatischem Quietschen, und Geri fühlte sich schwerelos im freien Fall. Beim Aufprall auf der Straße zuckte ein stechender Schmerz von ihrem Arm bis hinauf zur Schulter. Einen Moment lang lag sie weinend da.
    Die Zeit verging. Vielleicht verlor Geri das Bewusstsein oder bemühte sich sogar darum. Dann schlug
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