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Grimes, Martha - Inspektor Jury gerät unter Verdacht

Grimes, Martha - Inspektor Jury gerät unter Verdacht

Titel: Grimes, Martha - Inspektor Jury gerät unter Verdacht
Autoren: Unbekannter Autor
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sie aber verworfen, weil es die Heirat vielleicht eher beschleunigt als verzögert hätte.
    Vivian war nicht dumm; und Melrose fragte sich sogar, ob sie nicht schon ganz am Anfang, bei dem Lastwagenunfall, Verdacht geschöpft hatte. Leider schmückte Trueblood seine Geschichten nämlich so aus, wie er auch seine Garderobe ausschmückte, und spann immer ein paar sehr unwahrscheinliche Fäden hinein.
    Deshalb wäre ihnen ein bißchen Unterstützung von Scotland Yard sehr gelegen gekommen.
    Aber von Richard Jury bekamen sie die nicht.
    Nein, er würde kein Ammenmärchen von einem Axtmörder erfinden, der einen Polizeikordon in Heathrow durchbrach und in ein Flugzeug nach Venedig schlüpfte ...
    »Warum sollte ich? Sie beide haben es ja selbst gerade ausgedacht «, hatte Jury sie durchs Telefon angebrüllt.
    Vor drei Wochen hatte sich folgendes ereignet:
    Eine Konferenzschaltung aus Truebloods Antiquitätengeschäft in Long Piddleton. Marshall besaß jeden Schnickschnack von British Telecom, den man sich vorstellen konnte - Konferenzschaltung, Warteschaltung, Anrufweiterschaltung (»Anrufvortäuschschaltung«, hatte Jury hinzugefügt) -, und die beiden hatten im Laden gesessen und die Nummer von New Scotland Yard gewählt.
    »Ist es Ihnen denn so egal?« hatte Trueblood Jury ins Ohr gejammert. »Ist es Ihnen denn ganz egal, wenn sie eine seiner Bräute wird und in einem weißen Nachthemd durch Venedig geistert und nach Opfern Ausschau hält?«
    »Ach, halten Sie doch den Mund«, sagte Jury. »Und merken Sie sich eins: Es ist Vivians Leben, nicht Ihres, aber wenn man Sie beide so hört, könnte man das glatt vergessen.«
    »Wir versuchen, sie vor sich selbst zu schützen; oder vor der idiotischen Vorstellung, daß sie nur deshalb, weil sie, hm, schon so lange zwischen England und Italien hin- und herfährt, verpflichtet ist, den Mann zu heiraten.«
    »Das ist doch ihre Sache, oder?«
    Plant vernahm eine untypische Schärfe in Jurys Stimme.
    Jury fuhr fort: »Und was ist mit Ellen Taylor? Ich dachte, Sie wollten in die Staaten. New York. Oder Baltimore.«
    »Will ich ja. Sobald Vivian außer Gefahr ist.«
    »>Außer Gefahr<. Meine Güte, jetzt wachen Sie endlich mal auf!«
    Trueblood zündete sich eine grüne Sobranie an und legte die Füße auf einen seiner unbezahlbaren Fauteuils, während Melrose die Stirn runzelte. »Und wenn ich wach bin, was dann?«
    Keine Antwort. »Richard? Sind Sie noch dran?«
    »Bedauerlicherweise ja.«
    »Gut, jetzt hören Sie mal zu. Sie sind der einzige, der sie davon abhalten kann. Ihretwegen würde sie zurückkommen.« Aus irgendeinem Grunde sagte er das gar nicht gern. »Erinnern Sie sich nicht an den Morgen an der Victoria Station?«
    Schweigen. »Ja.«
    »Erinnern Sie sich, wie hinreißend sie aussah? Das cremefarbene Kleid, das rotbraune Haar -«
    »Ja. Und erinnern Sie sich daran, wie wir uns alle das erstemal begegnet sind? Vor zehn Jahren war das. In Long Piddleton. Damals war sie auch kurz davor zu heiraten.«
    »Ja, großer Gott. Das kann man doch nicht verglei-«
    »Glauben Sie etwa, den wollte sie damals heiraten?«
    Melrose starrte an Truebloods Decke. Spinnwebgirlanden, von Gipsengeln gehalten. »Ich weiß nicht, wovon Sie reden.«
    Ein langes Schweigen, ein langer Seufzer vom Londoner Ende. »Nein, Sie sind so blind, Sie wissen es vielleicht wirklich nicht. Haben Sie Polly Praed mal wiedergesehen?«
    »Was, zum Teufel, hat sie denn damit zu tun?«
    »Weiß ich nicht.«
    »Wir reden über Sie.«
    In London quietschte ein Stuhl. »Und?«
    »Hm, Sie müssen doch irgendwas gedacht haben, als der Orientexpreß aus Victoria rausfuhr.«
    Noch eine lange Pause.
    »Agnosco veteris vestigia flammae«, sagte Jury und legte auf.
    Der Palazzo Gritti war gewiß ein hübsches Hotel, aber nicht so groß und prächtig, wie Melrose erwartet hatte. Bis auf eine ältere Dame, deren Puder zu weiß und deren Wangen zu rosa waren, war die Bar leer. Die Art, wie sie ihren Sambuca herunterkippte und mit dem Glas auf den Tresen klopfte, um die Aufmerksamkeit des Barmanns zu erregen, erinnerte Melrose an Mrs. Withersby. Nach jedem Schluck starrte die Dame hinaus auf den Canale Grande. Ihr grauer Pony lugte unter einem braunen Hut hervor, dessen Band ein sich mausernder Vogel zierte.
    Wahrscheinlich eine Millionärin. Oder eine Gräfin. Oder beides. Melrose dachte, wenn er und Trueblood hier säßen, bis sie alt und grau wären und ihnen die Zähne ausfielen, wären irgendwann sämtliche Berühmtheiten
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