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Grim - Das Erbe des Lichts

Grim - Das Erbe des Lichts

Titel: Grim - Das Erbe des Lichts
Autoren: Gesa Schwartz
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durch Grim hindurch und schien etwas hinter ihm zu erblicken — etwas oder jemanden, der sie erschreckte. Sie ließ die Dose fallen, doch den Schraubenzieher behielt sie in der Hand. Grim sah, wie sich ihre Finger fest darum schlossen. Sie hatte schon oft mit Angreifern zu tun gehabt, sie wusste, dass das, was dort am Ende der Gasse stand, nichts Gutes mit ihr im Sinn hatte. Grim spürte, wie die Kälte über seinen Rücken kroch, und für einen Augenblick wusste er nicht, ob es die Kälte des Mörders war oder die unbarmherzige Hand des Todes, die nach ihm griff. Er zwang sich, nicht auf sich selbst zu achten, und fixierte das Mädchen, als Schritte hinter ihm die Luft zerschnitten. Unglauben spiegelte sich in ihren Augen und eine seltsame Art von Faszination.
    Grim spürte sein Blut in den Adern wie einen kochenden Strom aus Lava und kam auf die Beine, doch als er sich umwenden wollte, fühlte er, dass sein Körper ihm nicht mehr gehorchte. Es war, als hätte sich ein Zauber über ihn gelegt, der jede Bewegung unmöglich machte. Atemlos rief er seine Magie, doch sie regte sich nicht.
    Stattdessen spürte er einen eisigen Hauch, der wie der Brodem eines Untiers über seine Wangen fuhr und als schwarzer Nebel zu dem Mädchen hinüberzog. Grim sah, wie sich Klauen aus dem Dunst schoben, bis zur Unkenntlichkeit verzerrte Krallen aus Dunkelheit, die nach dem Mädchen griffen und es mit lockenden Bewegungen zum Aufstehen brachten. Grim spürte den Mörder, der direkt hinter ihm stand, und wusste instinktiv, dass er einer solchen Kreatur noch niemals begegnet war. Kein Leben strömte durch die Adern dieses Wesens, nicht einmal untotes Blut, und die Grabeskälte der Magie, die aus jeder Pore seines Körpers drang, stach mit vergifteten Pfeilen in Grims Fleisch. Die Dunkelheit hinter Grim nahm zu, er meinte fast, die lockenden Stimmen zu hören, mit denen sie ihr Opfer zu sich rief, und ertrug den Blick in die Augen des Mädchens kaum, in denen nichts als ahnungsloses Staunen lag.
    Lautlos trat sie auf Grim zu. Für einen Moment glaubte er, sie würde ihn ansehen, und etwas in ihr zerriss den Schleier der Benommenheit und schrie — schrie, ohne den Mund zu öffnen so laut, dass Grim erschrak. Im nächsten Moment glitt eine Klaue durch ihn hindurch, als bestünde er aus Rauch. Er sah eine von feinen Narben übersäte menschenähnliche Hand mit schwarzen Nägeln, die sich gnadenlos um den Hals des Mädchens schloss. Heilloses Entsetzen trat in ihren Blick, als sie durch Grim hindurch den Mörder erkannte. Mit hilfloser Verzweiflung starrte sie ihn an, als wäre der Ausdruck auf ihrem Gesicht der einzige Schrei, zu dem sie noch imstande war.
    Grim fuhr zusammen, als der Mörder das Mädchen aus seinem Blickfeld riss. Er spürte, wie er gegen seinen Willen menschliche Gestalt annahm, tosend schlugen die Geräusche seines Menschenleibs über ihm zusammen, das Rauschen des Blutes, das Rasen seines Herzens, dessen Schläge sonst von seinem steinernen Körper umfangen und gedämpft wurden. Grausame Stimmen lockten ihn aus dem Riss in seiner Brust, der Kluft zwischen Mensch und Gargoyle, zu sich, er hörte das Mädchen hinter sich keuchen. Überdeutlich vernahm er das metallische Klirren des Messers und die widerwärtigen Geräusche, als der Fremde ihr die Augen aus dem Kopf schnitt, und er fühlte ihren Schmerz, der als gleißender Blitz durch seinen Schädel peitschte. Panisch sog er die Luft ein, zugleich drangen erstickte Laute aus der Kehle des Mädchens. Doch sie konnte nicht schreien — die Magie des Mörders, die ihr mit aller Macht das Blut aus dem Körper zog, verhinderte es. Grim spürte die Dunkelheit, die mit Grabeskälte nach dem Mädchen griff — und nach ihm selbst. Mit aller Kraft zwang er sich zurück in seine gargoylsche Gestalt, die Kühle seines steinernen Körpers verschloss den Riss in seiner Brust und nahm jeden Schmerz mit sich. Noch einmal hörte er das Mädchen hinter sich keuchen, es war ein Laut wie durch tausend Tücher. Dann war es still.
    Die Schwere wich aus Grims Knochen, doch stattdessen glitt etwas anderes über seine Stirn — etwas, das ihn frösteln ließ. Der Tod war in die Gasse gekommen, das wusste er, denn nur der Tod strich mit schwarzen Federn über reglose Wangen und färbte sie grau. Grim konnte seinen Flügelschlag fühlen.
    Er atmete nicht, als er sich zu dem toten Mädchen umdrehte. Der Mörder war verschwunden, doch Grim bemerkte es kaum. Er starrte in die leeren Augenhöhlen
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