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Grenzfall (German Edition)

Grenzfall (German Edition)

Titel: Grenzfall (German Edition)
Autoren: Merle Kröger
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hievt einen Rucksack auf seinen Rücken, schnappt sich mit links die zusammengeklappte Karre und mit rechts einen Rollkoffer. So wankt er zum Fahrstuhl. Er lädt die Sachen ab und hält die Tür mit einem Fuß offen.
    Mattie checkt, ob sie den Schlüssel hat, und schließt leise die Tür. Jasmin führt noch irgendein wichtiges Telefonat. Nick will lieber nicht wissen, worüber. Wahrscheinlich soll sie dem BND geheime Stützpunkte der Zapatisten übermitteln.
    Mattie quetscht sich vorsichtig zu ihm in den Fahrstuhl. Ihre Hand hält sie schützend über Azims Kopf.
    Die Tür geht zu. Nick beobachtet Mattie im Spiegel. Versucht sich das Bild einzuprägen. Mattie und Azim.
    »Hör auf damit.«
    »Womit?« Er fühlt, wie ihm ein Schweißtropfen aus dem Haar auf die Nase tropft. Verdammt heiß hier drinnen.
    »Geh lieber zum Friseur.«
    Fünf Stockwerke. Noch nie ist der Fahrstuhl so schnell gewesen.
    Vor der Haustür wartet schon das Taxi.
    Der Taxifahrer öffnet die Klappe und rührt sich nicht. Nick wuchtet die Sachen in den Kofferraum. Als er sich umdreht, hat Mattie ihre Nase in Azims Haar vergraben. Azim zerrt an ihrem Ohr.
    »Kann’s losgehen?« Der Fahrer will schon einsteigen.
    »Nein. Moment noch.« Mattie lacht. »Falsche Frau.«
    »Nicht witzig, Mattie.« Nick greift nach Azim, doch sie hält ihn fest.
    »Du wirst also auf deinen Papa aufpassen? Versprochen?«
    Azim streckt seine Arme nach ihm aus. »Tick.«
    »Na, dann, Tick.« Sie gibt ihm erst das Kind und dann einen schnellen Kuss. »Auf bald.«
    Er will sie berühren. Sie weicht ihm aus. Zieht eine zusammengerollte Zeitung hinten aus dem Hosenbund.
    »Hier hast du was zu lesen, Reporter.«
    In diesem Moment kommt Jasmin aus dem Haus. Der Fahrer startet den Motor. Die beiden Frauen umarmen sich kurz.
    »Grüß Kamal.«
    Mattie nickt. »Mach ich.«
    Jasmin steigt ein. Nick öffnet die Tür, reicht ihr Azim und schnallt ihn im Kindersitz an. Dann setzt er sich daneben. Das Taxi fährt los. Seine Kehle ist zugeschnürt. Er weiß, dass Jasmin ihn beobachtet, und entrollt die Zeitung.
    »Was ist das denn?« Irgend so ein Provinzblatt aus dem Norden. Nicht gerade seine Stammlektüre. Nicks Blick bleibt an der Überschrift hängen.
    NEUER BÜRGERMEISTER STÜRZT ÜBER PUTZFRAUENAFFÄRE. Es berichtet der Lokalreporter aus Kollwitz.
    Wieso hat der – und woher? Nicks Augen fliegen über die Zeilen. Laut Aussage von Angestellten der Nordhaus Immobilien beschäftigt der Bürgermeister seit Jahren Schwarzarbeiterinnen in der Gebäudereinigung weit untertariflich. Das mag zwar üblich sein, ein Volksvertreter jedoch sollte sich vorbildlich … Er springt ans Ende des Artikels. Die Opposition hat bereits den Rücktritt Wedemeiers gefordert.
    Nick öffnet das Fenster und lässt die Zeitungsseiten fliegen.
    »Spinnst du?« Jasmin will bestimmt noch mehr sagen.
    Zack. Gurt ab. Nick schnappt sich Azim. »Die Guten gewinnen doch manchmal!« Er lacht und hält seinen und Azims Kopf in den Fahrtwind. »Merk dir das gut!«
    »Kannst du bitte das Fenster zumachen?« Jasmin zieht ihn am Arm zurück ins Auto. »Und schnall sofort das Kind an!«

10. Juli 2012, Kreuzberg
    So, Madita Junghans. Du hast eine superschicke Dachwohnung in Kreuzberg mit Terrasse. Du hast eine geregelte Arbeit. Ein Rennrad. Einen Hund. Einen Bus, um am Wochenende rauszufahren.
    Dann mal los.
    Mattie sitzt auf der Terrasse und starrt vor sich hin.
    Quincy liegt auf dem Rücken.
    Wie geht das jetzt, so ein Leben.
    Ein Blick auf das Handy. Nick ist seit zwei Stunden weg. Jetzt steigen sie gerade ins Flugzeug. Zwischenlandung in Frankfurt. Dann weiter nach Mexico City.
    So weit weg.
    Stopp. Noch mal von vorn.
    Es ist acht Uhr morgens. Wie lautet dein Plan, Mattie?
    Aufstehen. Erledigt. Duschen. Erledigt.
    Mit dem Hund rausgehen. Zeitung kaufen. Nach der Post sehen. Frühstücken. Um zehn in die Kanzlei.
    Sie geht in die Küche und macht sich noch einen italienischen Kaffee. Wenn das so weitergeht, ist sie schon auf hundertachtzig, bevor sie im Büro ankommt.
    Die Treppen runter. Quincy japst vor Aufregung. Sie packt ihn in den Fahrradkorb und fährt in den Treptower Park. Keine VW-Busse mehr, die Leute vom Ordnungsamt sind wieder auf dem Parkplatz gewesen. Liviu hat einen neuen Platz ausfindig gemacht, irgendwo im Wedding. Quincys Geschwister wurden auf dem Flohmarkt verkauft. Fünfzig Euro das Stück.
    Wo Nadina steckt, weiß der Himmel. Sie hat sie nicht mal nach ihren Plänen gefragt, als sie aus der
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