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Grenzfall (German Edition)

Grenzfall (German Edition)

Titel: Grenzfall (German Edition)
Autoren: Merle Kröger
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neu.« Sie steht auf und holt die Kaffeekanne von der Wärmeplatte. »Oder möchten Sie noch einen Kaffee?« Wieder so ein neugieriger Blick wie vorhin an der Haustür. »Wer war denn nun Ihr geheimnisvoller Entführer aus Frankreich?«
    Gesines Wut kehrt mit voller Kraft zurück. »Wer das war, ist unwichtig. Wer dahintersteckt, ist die entscheidende Frage. Ich bin zurück. Wedemeier wird sein blaues Wunder erleben.«
    »Sind Sie sicher, dass Sie ihm gewachsen sind?«
    Das kann sie doch nicht ernst meinen! Diese Frau ist wirklich der Gipfel an Impertinenz. »Was glauben Sie eigentlich, wer Sie sind, mir gute Ratschläge zu erteilen?« Es reicht. Sie ist müde, ihr Rücken schmerzt. Sie muss sich das nicht bieten lassen, in ihrem eigenen Haus. »Ich habe mein Leben lang immer Besonnenheit gepredigt. Und ausgerechnet Sie haben mir bei unserer ersten Begegnung mehr oder weniger Feigheit vorgeworfen. Nun, ich bin bereit, Wedemeier entgegenzutreten!«
    »Ich verstehe Ihre Empörung.« Sie spricht ganz ruhig. »Ich bitte Sie lediglich, eines zu bedenken: Adrianas Freiheit hängt an einem seidenen Faden. Und den hält Wedemeier in der Hand. Er hat einen Zeugen aufgetan, der schwört, dass sie zur Tatzeit nicht in Jahns Wohnung war. Dieser Zeuge kann jederzeit wieder verschwinden. Der Mann spielt mit härteren Bandagen als Sie, Gesine.«
    »Das überzeugt mich ganz und gar nicht.« Ist es der Kaffee oder die Übermüdung? Gesines Stimme klingt schrill. Das ist sonst gar nicht ihre Art. »Ob Adriana schuldig oder unschuldig ist, das weiß nur Gott. Und sie selbst.« Die verschlossene Romni ist ihr nach wie vor ein Rätsel. »Darüber sollte ein Gericht urteilen und nicht wir. Und schon gar nicht bin ich bereit, dafür die Demokratie zu opfern und einen Mann als Bürgermeister hinzunehmen, der mauschelt und brandstiften lässt, der Entführungen mit einem Fingerschnipsen veranlasst und ja, der höchstwahrscheinlich ein Mörder ist!«
    »Und dem Sie weder das eine noch das andere beweisen können.« Sie steht auf. »Natürlich müssen Sie das am Ende mit sich selbst ausmachen. Wenn Sie es vertreten können, die Familie Voinescu ein drittes Mal ins Unglück zu stürzen …«
    Gesine steht ebenfalls auf. Ihr ist schwindelig, sie greift nach der Stuhllehne. »Ihren Pragmatismus finde ich zynisch!«, entfährt es ihr.
    »Das ist Ihr Problem.« Mattie Junghans verlässt ohne ein weiteres Wort den Raum.
    Nadina folgt ihr. An der Haustür dreht sie sich noch einmal um. Sie kommt zurück. Hat sie es sich doch noch anders überlegt? »Gesine. Deine Flucht. Sie haben das nicht umsonst gemacht.«
    »Wie viel?« Sie möchte endlich allein sein.
    »Achthundert Euro.«
    »Moment bitte.« Sie geht ins Arbeitszimmer, öffnet den Tresor und zählt eintausend Euro ab.
    »Der Rest ist für deine Arbeit.«
    »Nein.« Eine Spur Unsicherheit im Blick. Ganz so abgebrüht, wie sie tut, ist sie noch nicht. »Ich hab doch kaum etwas gemacht.«
    »Alles Gute.« Gesine ist zu müde, um zu streiten. Sanft schiebt sie das Mädchen aus der Tür. Vor dem Pfarrhaus saust der Hund herum.
    »Quincy, hierher.«
    Die Bustüren schließen mit dem typischen Zischen. Der Motor springt an. Gesine sieht dem roten Oldtimer nach, bis er um die Ecke verschwunden ist.
    Es ist still. Sie ist wieder allein.
    Langsam geht sie ins Haus und setzt sich an den Küchentisch. Plötzlich ist sie gar nicht mehr müde. Sie geht ins Büro, wo in einer Ecke ein Gegenstand in weißes Leinen gehüllt an der Wand lehnt.
    Sie nimmt das Bündel und trägt es hinaus auf den Friedhof. Zügig schreitet sie die beiden hinteren Reihen ab, bis sie auf ein Stück kahle Erde stößt.
    Hier ist es gewesen.
    Sie legt den Gegenstand hin, geht zum Schuppen und kehrt mit einer Schubkarre voller Steine zurück. Oben auf den rot gebrannten Ziegeln liegt ein Gummihammer.
    Gesine hebt das weiße Tuch und betrachtet das Grabkreuz. Es ist kaum nachgedunkelt in all den Jahren. Sie hält es mit der linken Hand senkrecht und schwingt den Hammer mit rechts. Mit drei kraftvollen Schlägen sitzt es fest in der lockeren Erde. Wieder zu Atem kommen. Der Lendenwirbel gibt auch keine Ruhe. Doch sie muss das hier zu Ende bringen. Gesine nimmt die Ziegelsteine aus der Karre und beginnt das Grab von Adriana Voinescus Großmutter damit einzufassen.

8. Juli 2012, Kreuzberg
Berlin, Deutschland
    Hochrechnungen.
    Nick sitzt mit Azim vor dem Fernseher. Jasmin packt nebenan ihre Sachen für Mexiko. Übermorgen. Noch zwei Tage.
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