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Grappa 14 - Grappa und der Tod aus Venedig

Grappa 14 - Grappa und der Tod aus Venedig

Titel: Grappa 14 - Grappa und der Tod aus Venedig
Autoren: Gabriella Wollenhaupt
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widerstehen. Ihre goldbraune Farbe erhielten sie durch feingehobelte, geröstete Mandeln auf der Außenhaut und ihr weiches und leicht zähes Inneres konnte wahlweise gelutscht oder gekaut werden. Der Höhepunkt war für mich allerdings die späte Attacke auf die beiden in Bitterschokolade getauchten Enden. Erst aß ich die Mitte weg, bis nur noch die schwarzbraun überzogenen Stücke übrig waren; die blieben dann eine Weile liegen und ich schlich um sie herum – sie ständig beobachtend –, manchmal vertilgte ich sie erst Stunden später, meist kombiniert mit einer starken Tasse Kaffee. Die Art der Hörnchenbehandlung hatte manchmal orgiastische Züge und war so spannend, wie einen schnuckeligen Mann von seiner Kleidung zu befreien – nur dass ich da meist viel zügiger zu Werke ging.
    Bevor ich mich weiter in unpassenden Gedanken ergehen konnte, klingelte mein Handy. Kati, verriet mir das Display.
    »Hier Grappa«, sagte ich kurz.
    »Drei Tote«, teilte sie mir mit. Sie nannte einen Namen und eine Adresse in der Innenstadt und legte den Hörer auf.
    Ich stopfte mir die Reste des hellen Hörnchenteils in den Mund, ließ sonst alles stehen und liegen – auch die beiden Schoko-Enden – und lief in Jansens Büro. Der hatte gerade den Telefonhörer in der Hand und sprach mit jemandem. Er sah mich, wusste sofort, dass etwas Wichtiges passiert war, und verabschiedete sich von seinem Gesprächspartner.
    »Alarm«, verkündete ich. »Drei Leichen. Im DGB-Haus!«
    »Beim Gewerkschaftsbund?«, wiederholte er. »Ist der Tipp sicher?«
    »Klar. Meine Quelle sitzt an der Quelle.«
    »Die Kleine bei der Staatsanwaltschaft?«
    »Genau die«, bestätigte ich.
    »Gut! Die ist ja fixer als die Bluthunde«, freute sich sein Journalistenherz.
    Das Telefon meldete sich wieder, diesmal waren es bestimmt die Blaulichtreporter. Jansen hob ab und sagte: »Danke, wir haben es schon mitgekriegt. Grappa ist gleich da.« Und zu mir: »Du kriegst hundert Zeilen auf der Eins. Welchen Knipser willst du?«

Kopfloser DGB
    Das Haus des Deutschen Gewerkschaftsbundes lag mitten in der City, war ein schlichter Plattenbau mit gelblichem Anstrich und mit alten und neuen Graffiti verziert. Ich war schon oft hier gewesen, hatte an zahlreichen Pressekonferenzen teilgenommen, in denen es um Tarifautonomie, Arbeitnehmerrechte, Warnstreiks und die nächsten Protestaktionen gegen Sozialabbau oder Ausländerfeindlichkeit gegangen war.
    Im Erdgeschoss befand sich der Laden der Büchergilde Gutenberg, daneben das Reisebüro des DGB und eine chemische Reinigung. Darüber thronten die ver.di- Leute und ganz oben die Metaller und der DGB. Und dort mussten wohl gerade drei Tote herumliegen.
    Ich wartete auf der gegenüberliegenden Straßenseite auf den Fotografen und versuchte, mich unauffällig zu verhalten. Es war nur eine Frage der Zeit, wann es hier vor Kamerateams und Kollegen wimmeln würde.
    Ein Blick zur Tür sagte mir, dass niemand das Haus betreten oder verlassen konnte. Zwei Mitglieder der Staatsmacht hatten sich vor den Eingang gestellt und würden alles aufhalten, was sich ihnen näherte – egal aus welcher Richtung.
    Ich überquerte die Fahrbahn, ein Auto bog genau in dem Augenblick um die Ecke und hätte mich fast erwischt. Bremsen quietschten, Passanten blieben stehen und guckten, auch die beiden Polizisten vor dem DGB-Haus schenkten dem Vorfall ihre Aufmerksamkeit.
    Der Wagen fuhr rechts ran und hielt im absoluten Halteverbot. Dann öffnete sich die Fahrertür und ein paar lange Beine kippten auf die Straße, gefolgt von einem mächtigen Oberkörper.
    Ich trat zum Auto hin. »Wahnsinnig geiler Auftritt, Miller!«, blaffte ich den Fotografen an. »Geht's nicht noch auffälliger?«
    »Ciao, cara mia« , meinte Miller. Endlich hatte er sich aus dem Roadster geschält. Die Karre war Millers Ein und Alles, sie rangierte noch vor seinem Fotogerät. Der feuerrote Alfa Spider mit dem auffälligen selbst gebastelten Presse-Schild auf der Sonnenblende des Beifahrersitzes war in der ganzen Stadt bekannt.
    »Wo?«, fragte er.
    Er war inzwischen voll bewaffnet: Über der Schulter hingen zwei Kameras mit unterschiedlichen Objektiven, in den Schlaufen einer Art Safari-Jacke, in denen Großwildjäger ihre Geschosse zu deponieren pflegten, steckten die Filme. Miller war bekennender Fan eines Internet-Auktionshauses und da hatte er auch die ›mördermäßig geile‹ Jacke her. Sie sah so aus, als habe sie Hemingway schon bei seinen Jagdausflügen getragen –
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