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Grappa 11 - Grappa und das große Rennen

Grappa 11 - Grappa und das große Rennen

Titel: Grappa 11 - Grappa und das große Rennen
Autoren: Gabriella Wollenhaupt
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letzten Europawahl Aufsehen erregt. Es musste von einem Fotografen gefertigt worden sein, der im Dienste der Christdemokraten oder der PDS gestanden hatte. Mantheys runder Kopf mit Vollglatze und finsterem Blick – ein polizeiliches Fahndungsfoto von einem Triebtäter war dagegen ein freundlicher Geburtstagsschnappschuss.
    Irgendwie ist diese Partei ziemlich am Ende, überlegte ich, zu lange war sie an der Macht – so was trägt nicht gerade zur Entwicklung einer lebendigen Demokratie bei. Eher zu Filz und Vetternwirtschaft. Ich kann verstehen, wenn jemand diese Partei erneuern will, dachte ich.
    Ich blickte zur Bühne. Der Parteivorsitzende unterhielt sich inzwischen mit Friedel Knaup.
    Auch so eine Marke. Er hatte sich vor Jahren das richtige Parteibuch zugelegt und dann – trotz schmaler Intelligenz – ein Pöstchen beim Ordnungsamt der Stadt ergattert. Natürlich war er weiter in der Partei aktiv – zurzeit als Chefkassierer. Nebenher leitete er den Arbeitskreis »Schöne City«. Eigentlich war Knaup ein harmloser Mensch, den man journalistisch hätte vernachlässigen können – wenn er die Redaktionen nicht ständig mit nichts sagenden Pressemeldungen zu seinen Stadtverschönerungsattacken gequält hätte.
    Zurzeit befand sich Friedel Knaup mit Hilfe seiner Partei im Landeanflug auf einen neuen Posten: Er wollte Geschäftsführer der Balkan-Kommission werden, die beim Land eingerichtet werden sollte. Natürlich auf Empfehlung von Parteichef Manthey.
    Knaup unterhielt sich noch immer mit seinem Gönner. ›Glatze‹ Manthey hatte ihn am Arm gepackt und redete auf ihn ein. Knaup machte ein betroffenes Gesicht, nickte ab und zu beflissen. Die Gesichtsfarbe des Parteivorsitzenden hatte sich zum satten Rot hin entwickelt.
    Schließlich gab Manthey Ruhe. Seine Pfeife war während des Disputs wohl ausgegangen, denn Friedel Knaup reichte ihm Feuer. Etwas glitt zu Boden und fiel von der Empore auf den Boden des Saals.
    Ich erhob mich und schlenderte unauffällig zur Bühne. Das fiel nicht weiter auf, denn die Show hatte noch nicht begonnen. Manthey und Knaup bemerkten mein Kommen und gingen auseinander. Knaup schaffte es noch, mir ein heiseres »Tach, Frau Grappa« zuzurufen.
    Ich ließ meinen Block fallen und bückte mich. Das Ding, das von der Bühne gepurzelt war, war ein Streichholzbriefchen. Als ich wieder an meinem Platz saß, schaute ich es mir genauer an. Schwarzes glänzendes Papier, auf dem eine stilisierte nackte Frau abgebildet war, deren Handgelenke nach oben gezerrt und mit Fesseln versehen waren. Um den Hals trug sie ein Band, an dem eine Kette befestigt war.
    Ich öffnete die Klappe. Chez Justine – war dort zu lesen. Privatclub für Kenner . Auch die Adresse stimmte mit Manuelas Angaben überein: Sauerländer Weg.
    Das konnte kein Zufall sein. Ob Knaup in diesem SM-Club verkehrte?, dachte ich. Sollte ich Knaup fragen, woher er die Streichhölzer hatte? Lieber nicht. Eine Minute lang überlegte ich, ob Knaup wohl Prügel einsteckte oder austeilte.
    »Ist was?«, fragte Tom Piny.
    »Ich hatte gerade mit einer schwierigen Frage zu kämpfen«, behauptete ich.
    »Willst du mit mir darüber reden?« TOP war neugierig geworden.
    »Frauenprobleme«, log ich.
    »Da bin ich doch der mit Abstand beste Gesprächspartner«, grinste er. »Hast du dich in Friedel Knaup verliebt oder dein Herz für Manthey entdeckt?«
    »Wieso?«
    »So wie du die beiden gerade angestarrt hast.«
    »Ich hab nur darüber nachgedacht, ob man die hübschen Wollpullover, die Manthey trägt, öffentlich kaufen kann oder ob sie nur unterm Ladentisch vertickt werden. Und bei Knaup interessiert mich, ob die Schleimspur, die er hinter sich herzieht, noch immer so dickflüssig ist.«
    »Deshalb bist du aufgestanden und hast den Boden vor der Bühne kontrolliert?«, wollte Tom Piny wissen.
    Der sieht aber auch alles, dachte ich. Piny hatte Augen wie eine Eule, die Tag und Nacht auf der Jagd ist.
    »Genau, mein Süßer!«, grinste ich ihn an.
    »Und was hast du vom Boden aufgehoben?«
    »Meinen Block.«
    Meine Unschuldsmiene überzeugte TOP nicht. Er lächelte in sich hinein.
    »Es geht los«, stellte er fest.
    Manthey hatte sich hinter das Rednerpult gestellt und begann. Fünf Minuten später kam bei den Delegierten eine der ältesten sozialdemokratischen Tugenden zur vollen Entfaltung: Schlafenkönnen mit offenen Augen.
    Nach einer Dreiviertelstunde Eigenlob und Durchhaltesprüchen brauste der übliche Höflichkeitsapplaus auf.
    Ein
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