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Granger Ann - Varady - 03

Titel: Granger Ann - Varady - 03
Autoren: Die wahren Bilder seiner Furcht
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wieder an
zu bluten! Vielleicht sollten wir ihn ins Krankenhaus bringen,
Gan. Er hat sich möglicherweise die Nase gebrochen.«
»’ein! ’ein! Ich will ’icht i’s Kra’ke’haus!« Der Fremde sah
ein, dass mit den beiden Pfropfen in der Nase keine vernünftige Unterhaltung möglich war, also entfernte er die
blutgetränkten Kleenexbällchen und warf sie in den Papierkorb. Ich wartete auf einen neuerlichen roten Wasserfall,
doch er kam nicht. Meine erste Hilfe hatte funktioniert.
»Keine Polizei«, sagte er entschlossen. »Kein Krankenhaus. Mir geht es schon wieder besser.«
»Wie Sie meinen, Kumpel«, sagte Ganesh einigermaßen
erleichtert. Er wollte nicht, dass die Polizei in seinen Laden
kam. So etwas schreckte die Kundschaft ab. Genauso wenig,
wie er den Mann zum nächsten Krankenhaus fahren wollte.
»Wenn Sie meinen, alles wäre in Ordnung, dann ist es wohl
so, Kumpel. Sie hatten einfach Pech, wie? Normalerweise ist
die Gegend hier am helllichten Tag sicher.«
Das Opfer murmelte Zustimmung. »Ja. Ich hatte wohl
einfach Pech.«
Ich fragte mich, ob er uns Einzelheiten verraten würde,
doch offensichtlich hatte er das nicht vor. Er klopfte die Innentasche seines Mantels ab und anschließend die Seitentaschen. Schließlich fand er ein Taschentuch, mit dem er vorsichtig über sein geschwollenes Gesicht rieb. Als er es wieder
wegnahm, war es blutig. Er betrachtete das Blut interessiert.
Ganesh wurde unruhig. »Hören Sie, Kumpel, ich muss
den Laden wieder aufmachen. Ich kann nicht noch länger
warten. Ich büße Umsatz ein. Sie können hier sitzen, solange Sie wollen, okay? Lassen Sie sich ruhig Zeit.«
»Es tut mir wirklich Leid.« Unser Besucher sah uns gramvoll an. Er steckte sein Taschentuch wieder ein und kramte
erneut in der Innentasche seines Mantels. »Ich sehe ein, dass
Sie Umsatz eingebüßt haben. Warten Sie, ich möchte es
wieder gutmachen.«
Bis zu diesem Augenblick hatten weder Ganesh noch ich
daran gezweifelt, dass der Fremde überfallen worden war.
Deswegen waren wir beide ein wenig überrascht, als er eine
Brieftasche zückte und dieser einen Zehner entnahm. Er
hatte nicht allein in der Brieftasche gesteckt, sondern in
reichlich viel Gesellschaft – soweit ich erkennen konnte, befanden sich wenigstens noch ein Zwanziger und ein paar
Fünfer darin.
Ich warf Ganesh einen fragenden Blick zu. Er dachte das
Gleiche wie ich. Der Fremde war nicht überfallen und beraubt worden. Wenn Räuber Zeit genug fanden, ein Opfer
so zuzurichten wie den Fremden, dann hatten sie auch genug Zeit, um ihn von oben bis unten nach Wertgegenständen zu durchsuchen. Abgesehen von der Brieftasche hatte er
auch noch seine Armbanduhr am Handgelenk sowie einen
goldenen Siegelring am Finger. Ich konnte die Initialen
nicht erkennen. Leider. Sie waren ineinander verschlungen
und verschnörkelt, aber ich meine, ein »C« wäre darunter
gewesen.
Unser Besucher sah uns beunruhigt an. Er hatte unseren
Blickwechsel missverstanden. »Ist es nicht genug?«, fragte
er.
»Nein. Ich meine ja, selbstverständlich reicht es!« Ganesh
nahm den Zehner entgegen. Wir hatten schließlich den Laden für eine Weile schließen müssen.
Ich musterte unseren Gast ein wenig genauer. Plötzlich
erschien er mir höchst interessant. Er war Mitte dreißig,
groß gewachsen und trug unter dem dunkelgrauen Mantel
einen dunklen Anzug. Das weiße Hemd war blutbesudelt,
und die Krawatte saß schief. Sein verletztes Auge war inzwischen zugeschwollen. Er sah immer noch nicht wieder fit
aus, doch selbst in diesem Zustand war er ein attraktiver
Bursche. Andererseits glaubte ich etwas zu erkennen, das
nicht so recht ins Bild passte. Er war angezogen wie ein Geschäftsmann, doch er sah nicht danach aus, als würde er
tagaus, tagein in einem Büro arbeiten. Ein schwacher Geruch nach Nikotin verriet mir, dass er ein starker Raucher
sein musste, und Büros waren heutzutage eher rauchfreie
Zonen. Man kann die Vertriebenen überall sehen, wie sie
sich unten auf der Straße unglücklich vor den Eingängen
herumdrücken und an ihren Glimmstängeln ziehen, während sie gleichzeitig Schutz vor dem Regen suchen.
Andererseits sah er auch nicht aus wie jemand, der sein
Leben im Freien verbrachte, auch wenn seine Haut eine frische Bräune aufwies. Vielleicht war er im Urlaub gewesen.
Es war nicht fair, unter den gegebenen Umständen ein Urteil zu fällen, doch in meinen Augen passten sein Anzug und
sein Mantel nicht so recht ins Bild. Sie wirkten zu
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