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Grabesstille

Grabesstille

Titel: Grabesstille
Autoren: Tess Gerritsen
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der University of California tätig. Ich bin sowohl in Massachusetts als auch in Kalifornien als Ärztin zugelassen.« Es waren mehr Angaben, als von ihr verlangt worden waren, und sie sah, wie Aguilar die Stirn runzelte, weil Maura ihre vorgefertigte Fragenliste durcheinandergebracht hatte. Maura hatte diese Informationen schon so oft vor Gericht heruntergebetet, dass sie ganz genau wusste, wonach man sie fragen würde, und ihre Antworten kamen ebenso automatisch. Wo sie studiert hatte, welche Anforderungen ihre Arbeit stellte und ob sie qualifiziert war, in diesem speziellen Fall als Zeugin auszusagen.
    Nachdem die Formalitäten erledigt waren, kam Aguilar endlich auf die Einzelheiten zu sprechen. »Haben Sie im vergangenen Oktober eine Obduktion am Leichnam eines gewissen Fabian Dixon vorgenommen?«
    »Ja«, antwortete Maura. Eine knappe, sachliche Antwort, und dennoch spürte sie sofort, wie die Spannung im Saal anstieg.
    »Erzählen Sie uns, wie es dazu kam, dass Mr. Dixon ein Fall für die Rechtsmedizin wurde.« Aguilar sah Maura dabei fest in die Augen, als wollte sie sagen: Ignorieren Sie alle anderen im Saal. Schauen Sie nur mich an, und legen Sie die Fakten dar.
    Maura straffte die Schultern und begann zu sprechen, laut genug, um im ganzen Saal verstanden zu werden. »Der Verstorbene war ein vierundzwanzigjähriger Mann, der bewusstlos auf dem Rücksitz eines Streifenwagens des Boston Police Department aufgefunden worden war, und zwar rund zwanzig Minuten nach seiner Festnahme. Er wurde in die Notaufnahme des Massachusetts General Hospital gebracht, wo nur noch sein Tod festgestellt werden konnte.«
    »Und das machte ihn zu einem Fall für die Rechtsmedizin?«
    »Ja, das ist richtig. Er wurde dann in die Leichenhalle unseres Instituts gebracht.«
    »Schildern Sie bitte dem Gericht Ihren ersten Eindruck von Mr. Dixons Leiche.«
    Maura registrierte sehr wohl, dass Aguilar den Toten beim Namen nannte, anstatt nur von der Leiche oder dem Verstorbenen zu sprechen. Auf diese Weise erinnerte sie das Gericht daran, dass das Opfer eine Identität hatte. Einen Namen, ein Gesicht und eine Biografie.
    Maura antwortete in gleicher Weise. »Bei Mr. Dixon handelte es sich um einen gut genährten Mann von durchschnittlicher Größe und durchschnittlichem Gewicht, der nur mit einer Baumwollunterhose und Socken bekleidet war, als er in unser Institut eingeliefert wurde. Seine übrige Kleidung war zuvor im Zuge der Wiederbelebungsmaßnahmen in der Notaufnahme entfernt worden. An seiner Brust waren noch die EKG -Elektroden befestigt, und in seinem linken Arm steckte ein Infusionskatheter …« Sie hielt inne. Jetzt wurde es unangenehm. Obwohl sie es vermied, die Zuschauer und den Angeklagten anzuschauen, wusste sie, dass alle Augen auf sie gerichtet waren.
    »Und der Zustand seiner Leiche, könnten Sie uns den auch schildern?«, half Aguilar nach.
    »Die Brust, die linke Körperseite und der Oberbauch wiesen zahlreiche Blutergüsse auf. Beide Augen waren zugeschwollen, und an Lippen und Kopfhaut waren Riss- und Platzwunden zu erkennen. Die beiden oberen Schneidezähne fehlten.«
    »Einspruch.« Der Anwalt des Angeklagten stand auf. »Niemand kann sagen, wann er diese Zähne verloren hatte. Das könnte schon vor Jahren passiert sein.«
    »Ein Zahn war auf den Röntgenaufnahmen zu erkennen. In seinem Magen«, sagte Maura.
    »Die Zeugin sollte auf Kommentare verzichten, bis ich über den Einspruch befunden habe«, warf der Richter in strengem Ton ein. »Einspruch abgewiesen! Mrs. Aguilar, fahren Sie fort.«
    Die Staatsanwältin nickte, und ihre Lippen verzogen sich zu einem angedeuteten Lächeln, als sie sich wieder Maura zuwandte. »Mr. Dixons Leiche wies also schwere Prellungen und Platzwunden auf, und mindestens einer seiner Zähne war ihm vor Kurzem ausgeschlagen worden.«
    »Ja«, antwortete Maura. »Das werden Sie auf den Aufnahmen aus dem Leichenschauhaus sehen können.«
    »Wenn das Gericht einverstanden ist, würden wir diese Aufnahmen nun gerne zeigen«, sagte Aguilar. »Ich möchte die Zuschauer jedoch vorwarnen: Die Bilder sind kein angenehmer Anblick. Wenn irgendjemand von den Anwesenden sie lieber nicht sehen möchte, würde ich vorschlagen, dass Sie jetzt den Saal verlassen.« Sie hielt inne und sah sich um.
    Niemand folgte der Empfehlung.
    Als das erste Dia von Fabian Dixons lädiertem Körper auf der Leinwand erschien, schnappten mehrere Anwesende hörbar nach Luft. Maura hatte bei ihrer Schilderung von Dixons
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