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Gottfried Crayon's Skizzenbuch (German Edition)

Gottfried Crayon's Skizzenbuch (German Edition)

Titel: Gottfried Crayon's Skizzenbuch (German Edition)
Autoren: Washington Irving
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der wilden Wasseröde; er hallte dumpf wider und wurde verlängert in den Wellen-Bergen. Als ich das Schiff zwischen diesen brüllenden Höhlen dahinwanken und darin versinken sah, schien es mir wunderbar, daß es sein Gleichgewicht wieder gewann, oder sich auf dem Wasser erhielt. Seine Raaen gingen im Wasser, sein Bug war fast in den Wellen begraben. Zuweilen schien eine hereinstürzende Woge es verschlingen zu wollen, und nur eine geschickte Wendung des Steuerruders rettete es vor dem Sturze.
    Als ich mich in die Kajüte begab, verfolgte mich die furchtbare Scene noch immer. Das Pfeifen des Windes durch das Takelwerk klang wie Grabesklage: das Krachen der Maste, das Dröhnen und Aechzen der Querwände bei dem Kampfe des Schiffes mit der anwälzenden See war furchtbar. Während ich die Wellen an der Seite des Schiffes hinströmen und in mein Ohr brüllen hörte, schien es, als ob der Tod um dieses schwimmende Gefängniß wüthe und seine Beute suche; nur ein Nagel durfte nachgeben, eine Fuge aufreißen, und er konnte eindringen.
    Ein schöner Tag jedoch, bei ruhiger See und günstigem Winde, verscheuchte bald alle diese traurigen Betrachtungen. Es ist unmöglich, dem erheiternden Einflusse des schönen Wetters und des guten Windes zur See zu widerstehen. Wenn das Schiff sich mit allen seinen Segeln geschmückt hat, jedes derselben geschwellt ist und fröhlich über die kräuselnden Wellen dahin gleitet, wie erhaben, wie prachtvoll erscheint es – wie scheint es das Meer zu beherrschen! Ich möchte ein Buch mit den Träumen einer Seereise anfüllen, denn bei mir ist sie beinahe ein fortwährendes Träumen – doch es ist Zeit, an das Gestade zu gelangen.
    Es war ein schöner sonniger Morgen, als der durchdringende Ruf »Land« vom Mastkorbe erscholl. Nur wer es selbst erfahren hat, kann sich eine Vorstellung von dem Uebermaß entzückender Gefühle machen, welche eines Amerikaners Brust durchströmen, wenn er zuerst Europa erblickt. Eine Masse von Ideen knüpfen sich schon an den Namen. Es ist ihm das Land der Verheißung, Alles das in Ueberfluß bietend, wovon er in seiner Kindheit gehört oder worüber er in seinen Studienjahren gebrütet hat.
    Von dieser Zeit bis zum Augenblick der Ankunft war Alles eine fieberhafte Aufregung. Die Kriegsschiffe, die wie bewachende Riesen an der Küste entlang kreuzten; die Landspitzen von Irland, welche in den Canal hinaus ragten; die walisischen Berge, die sich in die Wolken erhoben; – Alles waren Gegenstände des größten Interesses. Während wir den Mersey hinaufsegelten, betrachtete ich die Küsten durch ein Fernrohr. Mein Auge verweilte mit Vergnügen auf netten Häuschen mit zierlichem Strauchwerk und grünen Grasplätzen umher. Ich sah die verfallenden Trümmer einer mit Epheu überwachsenen Abtei und die schlanke Thurmspitze einer Dorfkirche, welche sich auf dem Kamm eines benachbarten Hügels erhob – Alles verkündigte England.
    Fluth und Wind waren so günstig, daß das Schiff im Stande war, sogleich in den Hafen zu kommen. Er war mit Menschen bedeckt; Einige, müßige Zuschauer, Andere, ungeduldig ihrer Freunde oder Verwandten harrend. Ich konnte den Kaufmann erkennen, an den das Schiff gerichtet war. Ich erkannte ihn an seiner berechnenden Stirne und dem ruhelosen Wesen. Er hatte die Hände in den Taschen; er pfiff gedankenvoll und ging auf und ab, da ihm ein kleiner Raum von der Menge, in Rücksicht auf seine einstweilige Bedeutsamkeit, zugestanden war. Wiederholte Grüße wurden zwischen dem Strand und dem Schiffe gewechselt, so wie Freunde sich erkannten. Ich bemerkte besonders eine junge Frau von schlichtem Anzug, von anziehendem Wesen. Sie beugte sich aus der Menge hervor; ihr Auge streifte über das Schiff, wie es sich dem Strande näherte, um irgend ein ersehntes Gesicht zu erblicken. Sie schien niedergeschlagen und bewegt; auf einmal hörte ich eine schwache Stimme ihren Namen nennen. – Es war die Stimme eines armen Matrosen, der die ganze Reise über krank gewesen war und das Mitleid Aller an Bord erregt hatte. Wenn das Wetter schön war, breiteten seine Cameraden eine Matratze für ihn auf dem Verdeck im Schatten auf; aber seine Krankheit hatte in der letzten Zeit so zugenommen, daß er in seiner Hängematte bleiben mußte, und nur den Wunsch äußerte, sein Weib noch einmal zu sehen, ehe er sterbe. Man hatte ihn, als wir den Fluß herauf kamen, auf das Verdeck gebracht, und er lehnte sich nun gegen die Querwände mit einem so abgezehrten, so
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