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Gottes Werk und Teufels Beitrag

Gottes Werk und Teufels Beitrag

Titel: Gottes Werk und Teufels Beitrag
Autoren: John Irving
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nicht so einmalig. Und so wie Homer bei seinen Begegnungen mit Candy aussah, sah er sonst nie aus.
    In der Frage der Abtreibung überraschte Dr. Stone den Ausschuß durch die unerschütterliche Überzeugung, die er vertrat: daß sie legalisiert werden sollte und daß er beabsichtige, über die geeigneten Kanäle auf dieses Ziel hinzuarbeiten. Allerdings, so versicherte Dr. Stone ihnen, solange die Abtreibung illegal wäre, würde er sich streng an das Gesetz halten. Er glaube an Regeln und daran, sie zu befolgen, sagte er dem Ausschuß. Sie fanden Gefallen an der Härte und Aufopferungsbereitschaft, die sie in den Furchen um seine dunklen Augen zu entdecken glaubten – und wie die grimmige Sonne Asiens seine Nase und seine Wangen versengt hatte, während er sich plagte, um diarrhöischen Kindern das Leben zu retten. (Tatsächlich hatte er absichtlich zu lange vor Candys Höhensonne gesessen.) Und – aus religiösen Gründen, die dem Ausschuß und erst recht Mrs. Goodhall nur lieb waren – sagte Dr. Stone, daß er selbst niemals Abtreibungen ausführen würde, auch wenn sie legal wären. »Ich kann es einfach nicht tun«, log er gelassen. Falls sie natürlich legal wären, würde er die unglücklichen Frauen einfach an einen »jener Doktoren« verweisen, die »es tun konnten und wollten«. Es war klar, daß Dr. Stone diese Doktoren nicht nach seinem Geschmack fand – daß Dr. Stone, trotz seiner Loyalität gegenüber Dr. Larch, diese gewisse Praxis Larchs entschieden als Akt wider die Natur ansah.
    Es war in hohem Maße bezeichnend für Dr. Stones »christliche Toleranz«, daß der junge Missionar, trotz seiner anhaltenden Meinungsverschiedenheiten mit Dr. Larch in dieser heiklen Frage, nachsichtig war gegen Larch – deutlich nachsichtiger als viele der Ausschußmitglieder. »Ich habe immer gebetet für ihn«, sagte Dr. Stone über Dr. Larch mit leuchtenden Augen. »Ich bete noch heute für ihn.« Es war ein gefühlsbetonter Moment, vielleicht beeinflußt durch den erwähnten »Anflug von Dysenterie« – und der Ausschuß war, wie vorhergesehen, gerührt. Mrs. Goodhalls Tic spielte verrückt.
    In der Frage von Schwester Carolines sozialistischen Ansichten, versicherte Dr. Stone dem Ausschuß, daß der Feuereifer der jungen Frau, das Richtige zu tun, einfach in ihrer Jugend irregeleitet worden sei. Er würde ihr ein paar Dinge über die kommunistische Guerillatätigkeit in Birma erzählen, die ihr die Augen öffnen würden. Und Dr. Stone überzeugte den Ausschuß davon, daß die älteren Krankenschwestern und Mrs. Grogan noch ein paar gute Dienstjahre vor sich hätten. »Es ist alles eine Frage der Führung«, sagte Dr. Stone zu dem Ausschuß. Ach, das war ein Wort, das Dr. Gingrich gern hörte!
    Dr. Stone öffnete seine Hände; sie waren ziemlich schwielig für die Hände eines Doktors, sollte Mrs. Goodhall feststellen – die es zauberhaft fand, wie dieser Heiler der Kinder mitgeholfen haben mochte beim Bau der Hütten oder Anpflanzen der Gärten oder welcher Arbeit auch immer, die dort drüben getan werden mußte. Als er »Führung« sagte, breitete Homer Wells die Arme aus in einer Geste, mit der ein Geistlicher seine Gemeinde willkommen heißt, so dachte der Ausschuß, oder wie ein guter Arzt den kostbaren Kopf eines neugeborenen Kindes aufnimmt.
    Es war aufregend, wie er sie, nachdem sie ihn interviewt hatten, zum Abschied segnete. Und wie er Salaam zu ihnen sagte!
    »Nga sak kin«, sagte der Missionsdoktor.
    Oh, was hatte er gesagt? wollten sie alle wissen. Wally hatte Homer die richtige Aussprache gelehrt – da es eines der wenigen birmesischen Dinge war, die Wally jemals richtig gehört hatte, auch wenn er nie gelernt hatte, was es bedeutete.
    Homer übersetzte den Satz für sie – Wally hatte immer geglaubt, es handle sich um einen Namen. »Es bedeutet«, sagte Homer zu dem hingerissenen Ausschuß: »Möge Gott über deine Seele wachen, die kein Mensch mißbrauchen möge.«
    Es gab lautes Beifallsgemurmel. Mrs. Goodhall sagte: »All dies, in einem so kurzen Satz!«
    »Es ist eine bemerkenswerte Sprache«, erzählte Dr. Stone ihnen verträumt. »Nga sak kin«, sagte er noch einmal zu ihnen. Er ließ sie ihm nachsprechen. Es machte ihm Vergnügen, sich vorzustellen, wie sie einander später diesen sinnlosen Segen spenden sollten. Es hätte ihm noch viel mehr Vergnügen gemacht, wenn er gewußt hätte, was der Satz tatsächlich bedeutete. Es war genau das Richtige für einen Treuhänderausschuß,
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