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Gott sacker Kriminalroman

Titel: Gott sacker Kriminalroman
Autoren: Michael Boenke
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von der zögerlichen Sonne in weichem Orange beschienen. Trotz meiner
Erschöpfung, gepaart mit meiner läuferischen Unlust, war das, was ich sah,
schön. Das 800-Seelen-Dorf lag sanft am Hang. Dort, wo der Saum des Rieds durch
Hecken und Apfelbäume gekennzeichnet war, begann die Landschaft anzusteigen,
und erste ausgesiedelte Bauernhöfe prägten das ansonsten dichte Ortsbild.
Hinter nachlässig gepflegten Zäunen standen unbeweglich schwarz-weiße Kühe wie
Staffagen einer Modelleisenbahn. Das geistliche Zentrum der malerischen
Ansiedlung hob, die Einwohner an ihre Katholizität erinnernd, in Form eines
mächtigen Kirchturms den moralischen Zeigefinger, gekrönt von einem
Zwiebeldach. Das profane Zentrum in Form des Goldenen Ochsens bildete den
unteren Rand der Dorfkulisse. Der obere Rand der Ortschaft wurde durch die
gedrungene Fassade eines Aussiedlerhofes definiert, der mitnichten von
Aussiedlern umgetrieben wurde. Hier fristete vielmehr Ökogeflügel sein
schlachtzeitbegrenztes Dasein. Bio-Truthähne, Bio-Gänse, Bio-Hühner und
freilaufende Eier waren der ganze ökologische und ökonomische Stolz des
ausgesiedelten Bio-Bauern. Ansonsten war es wie in jedem oberschwäbischen Dorf
auch, je höher es ging, desto neureicher das Ambiente, je weiter man abstieg,
desto höher die Bauerndichte. Ganz unten am Dorfrand war das einzige Hochhaus
Riedhagens durch die Zweige der Riedallee zu erkennen. Es hatte drei
Stockwerke. Mein sehnsüchtiger Blick suchte zum wiederholten Male die ferne
Gartenterrasse des Goldenen Ochsens mit ihren satten Kastanien, und ich
beschleunigte eher unbewusst meine Schritte. Die neuen Stiefel bremsten mich
sofort in meinem Vorwärtsstreben wieder ein.
    Ich hatte das Auto gar nicht gehört. Das metallische Gesäge
der Grillen erfüllte die Luft – ganz abgesehen davon, dass moderne Motoren
einfach zu leise sind.
    »Wollen Sie nicht lieber mitfahren?«
    Das blonde Fräulein, mit der Notizmaschine. Sie grinste mich
an: »Das sind keine Wanderstiefel.«
    Mein roter schweißglänzender Kopf sprach eine andere Sprache,
als ich so unbekümmert und taufrisch wie möglich »Nein danke, ich laufe gern«
in ihren schicken quietschgrünen VW -Beetle schnaufte.

     
    Eine halbe Stunde später ließ ich mich völlig
erschöpft in der Gartenwirtschaft des Ochsen auf einen grünen Klappstuhl
fallen. Der Schweiß, der das natürliche Hindernis meiner Brauen überwunden
hatte, brannte mir in den Augen. Unter meiner Lederjacke hatte sich ein
extremes Kleinklima gebildet, das durch einen Kreislauf von Dampf und
Sturzbächen gekennzeichnet war. Im Schatten der Kastanien, die weit ausladend
ihre Äste schützend über die vielen kleinen und großen Tische und die
Klappstühle hielten, betrachtete ich zufrieden die zurückgelegte Fußstrecke. Es
ist schon erstaunlich, wozu der menschliche Körper in Extremsituationen fähig
ist. Ebenso erstaunlich aber ist, wie viel ein motorisiertes
Fortbewegungsmittel an Zeit einsparen kann. Ich pellte meine
Python-Schlangenlederstiefel von meinen geschwollenen Füßen und stellte sie
unauffällig unter den Tisch.
    Unaufgefordert brachte mir Frieda ein WalderBräu naturtrüb
hell.
    »Das Rädle bleibt heute hier, die paar Meter kannst du auch
noch laufen.«
    Jetzt erst bemerkte ich, halb verdeckt vom Stamm einer
mächtigen Kastanie, am Nachbartisch das blonde Fräulein. Es plapperte in ein
winziges silberfarbenes Handy, ich hatte Angst, sie könnte es verschlucken. Auf
dem Tisch standen ein großes Mineralwasser ohne Zitrone und ein kleiner
Salatteller. Dann hätte ich auch so ein Figürchen.
    Das erste der zweiten Staffel des kühlen Bier-Getränks an
diesem Tag lief noch besser die sogenannte Speiseröhre hinunter als das erste
der ersten Staffel bei meinem ersten Stopp bei Frieda.
    Ich konnte schon als Kind nie verstehen, warum es
Speiseröhre und nicht Trinkröhre heißt. Ich bin mir absolut sicher, dass da
mehr Flüssiges runterläuft als Festes. Außerdem kann man ohne Essen lang leben,
ohne Trinken wäre man an Tagen wie heute innerhalb weniger Stunden tot.
    »Sie können sich zu mir setzen.«
    Das Fräulein nickte auffordernd, den blonden Kopf hinter dem
Kastanienbaum hervorstreckend, von mir zum leeren Stuhl an ihrer Seite.
Neugierige Blicke der wenigen Gäste im besten Rentenalter, vermutlich Kurgäste
aus der nahen Bad-Stadt, begleiteten mich, als ich strumpfsockig über den
gekiesten Boden mit dem kühlen Bierglas
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