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Gorki Park

Gorki Park

Titel: Gorki Park
Autoren: Martin Cruz-Smith
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die meisten Pelzmäntel sind von Bisamratten. Ich bring jede Woche zehn, zwanzig Felle in die Stadt. Ich hab mein Auskommen. Ich brauch nix klauen, ich hab nix geklaut!«
    Rats stolperte über einen Karton mit Fangeisen, wäre fast gegen den Ofen gefallen und stieß den Bohnentopf herunter, dessen Inhalt sich über hohe Gummistiefel und einen Kescher ergoss.
    »Gehört mir, ich hab’s in meiner Falle gefangen. Aber so ‘n Fell hab ich noch nie gesehn. War kein Nerz, war ganz anders. Drum hab ich’s in die Stadt gebracht, um rauszukriegen, was es war.«
    Hinter Rats hingen schmutzige Kleidungsstücke an einer Wäscheleine. Eine Parka an einem Kleiderhaken, ein Citybankkalender, eine Postkarte von John Glenn und vertrocknete Fliegenfänger.
    Dann eine weitere Leine mit Bisamfellen.
    »Der Mann von der Pelzbörse hat gesagt, dass es gar kein amerikanisches Fell ist. Vielleicht gehört’s also doch Ihnen. Ich sag nur, dass ich’s gefangen, nicht geklaut hab. Ich kann Ihnen zeigen, wo ich’s gefangen hab - gleich drüben am anderen Ufer. Ich bin soweit zufrieden, ich will keine Scherereien mit der Polizei.«
    Rats nahm die Parka vom Haken.
    »Wenn’s Ihnen gehört, gehört’s Ihnen.«
    An dem Kleiderhaken hing ein viel längeres und schmaleres Fell als die Bisamfelle: ein glänzend schwarzer Pelz mit einem charakteristischen Anflug von »Raureif« an den Haarspitzen, der Schwanz buschig und abgerundet, die Haut steif und fachmännisch gegerbt, aber eine Vorderpfote beinahe abgenagt, als habe das gefangene Tier versucht, sich auf diese Weise zu befreien. Ein Zobel.
    »Ich bring Sie hin«, versprach Rats Kirwill, der an der Tür stand. »Wir gehen bei Tagesanbruch los - nur wir zwei.« Er kicherte und sah von Kirwill zu Arkadi hinüber, bevor er sie ins Vertrauen zog.
    »Soll ich Ihnen was verraten? Wo der Pelz her ist, gibt’s noch massenhaft!«
     
    Wesley legte den roten Nothaltschalter um, und der Lift blieb zwischen dem vierten und fünften Stock stehen. In der Kabine befanden sich Arkadi, Wesley, George und Ray. Es war drei Uhr morgens.
    »Wir haben eine Stunde lang nach Ihnen fahnden lassen«, sagte Wesley. »Der Lieutenant ist völlig übergeschnappt, wenn er einen Zivilfahrer überfällt und ihm den Wagen abnimmt. Wir haben uns natürlich Sorgen um Sie gemacht. Aber dann ist mir klargeworden, dass unsere Sorgen überflüssig waren; Sie würden nie etwas versuchen, solange wir Miss Asanowa haben. Solange wir sie haben, sind Sie uns sicher. Deshalb haben wir gewartet, und Sie sind prompt zurückgekommen. Wo sind Sie gewesen?« Er kippte den Schalter nach oben. »Ich verspreche Ihnen, dass das keine Rolle spielt.«
    George und Ray stießen Arkadi im fünften Stock den Gang entlang, bis er sie abschüttelte und sich zur Wehr setzte. Die beiden drehten sich nach Wesley um, der die Szene vom Lift aus beobachtete. »Lasst ihn laufen«, wies er sie an.
    Arkadi legte den Rest des Korridors allein zurück. Im Zimmer hielt Al Wache. Arkadi warf ihn hinaus und stellte einen Stuhl unter die Türklinke.
    Irina saß im Bett und beobachtete ihn erschöpft und angstvoll. Er hatte sie noch nie so ängstlich gesehen. Ihm fiel auf, dass sie ein Nachthemd aus grüner Seide trug, das gut zu ihren schulterlangen dunklen Haaren passte. Ihre Arme waren nackt, ihre Augen geweitet. Das schwache blaue Mal auf ihrer Wange war unverdeckt: ein Zeichen ihrer Aufrichtigkeit. Sie wagte nicht, ihn anzusprechen; sie wagte kaum zu atmen.
    Arkadi setzte sich auf die Bettkante und versuchte, das Zittern seiner Hände zu verbergen.
    »Du hast mit Osborne in Moskau geschlafen. Du schläfst hier mit ihm. Er hat mir das Bett gezeigt. Ich möchte, dass du mir davon erzählst. Du hast mir doch irgendwann davon erzählen wollen, nicht wahr?«
    »Arkascha«, sagte sie so leise, dass er kaum verstand, was sie gesagt hatte.
    »Ein Mann genügt dir nicht?« fragte Arkadi. »Oder Osborne kann mehr als ich? Irgendwas Besonderes, eine spezielle Stellung? Von vorn, von hinten? Erklär’s mir bitte. Oder besitzt er sexuelle Anziehungskraft, der du nicht widerstehen kannst? Fühlst du dich zu einem Mann hingezogen, dessen Hände blutig sind? Meine Hände sind auch blutig. Aber leider nicht vom Blut deiner Freunde, sondern von dem meines Freundes.« Er hielt ihr seine Hände hin. »Nein«, entschied er, während er ihre Reaktion beobachtete, »nicht befriedigend, nicht stimulierend genug.
    Aber Osborne hat versucht, dich zu ermorden; vielleicht ist das der
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