Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Goodbye Chinatown: Roman (German Edition)

Goodbye Chinatown: Roman (German Edition)

Titel: Goodbye Chinatown: Roman (German Edition)
Autoren: Jean Kwok
Vom Netzwerk:
Kuan-Yin-Anhänger über den Kopf und ließ sie in meine Hand gleiten, wie er es schon einmal vor langer Zeit in der Fabrik getan hatte.
    »Nimm sie«, sagte er. »Behalte sie. Damit dir nichts passiert.«
    »Was willst du Vivian erzählen?«
    Sein Blick war fest entschlossen. »Ich lüge sie an und sage, ich hätte sie verloren.«
    Ich weiß, ich hätte sie ablehnen und zurückgeben müssen,
aber ich wollte sie zu sehr. »Ich vermisse dich, Matt. Ich werde dich immer vermissen.«
    Trotz der Traurigkeit in seinen Augen schüttelte er mit dem Anflug eines schiefen Lächelns den Kopf. »Wenn ich eins über dich weiß, Kimberly Chang, dann, dass du immer auf die Füße fällst.«
    »Leb wohl, Matt.«
    Er drehte sich um und betrat das Gebäude, ohne sich noch einmal nach mir umzusehen.
    Ich ging zu meinem Motorrad zurück. Ich weiß nicht, wie lange ich dort stand und auf das Haus starrte, mich an das Wissen klammerte, dass Matt in diesem Gebäude war. Dann fuhr ich los, aber meine Gedanken und mein Herz waren noch so angefüllt mit ihm, dass ich nicht anders konnte, als am Straßenrand zu halten und einen letzten Blick zurückzuwerfen.
    In einem der oberen Stockwerke war ein Fenster aufgegangen, so als gingen auch dem Bewohner dieser Wohnung zu viele Gedanken im Kopf herum. Jemand kletterte auf die Plattform der Feuerleiter hinaus. Ich wusste, dass es Matt war. Ich parkte das Motorrad und stieg ab. Eigentlich hätte mir klar sein müssen, dass das seine Wohnung war. Die Plattform stand voll mit Pflanzen und Blumen. Er sah hübsch aus, dieser winzige Behelfsbalkon voll mit lebenden Dingen, ein sanfter Protest gegen den Highway und die Stadt.
    Vivian hätte meinen Garten verdient, dessen schiere Größe mich jedes Mal von Neuem überwältigte. Mama hatte dort das Zepter übernommen und pflanzte Topf um Topf Kürbisse und Melonen an, als liefen wir Gefahr zu verhungern. Wenn wir Gemüse übrig hatten, legte sie es in einen kleinen Korb und brachte es unseren verdutzten Nachbarn. Sie sprach immer noch kaum ein Wort Englisch.
    »Für Sie«, sagte Mama dann.
    Anfangs wiesen die Nachbarn unser Gemüse zurück oder wollten dafür bezahlen, bis sie irgendwann merkten, dass Mama in einem der schöneren Häuser der Straße wohnte.
    »Exzentrisch«, flüsterten sie sich gegenseitig zu.
    Ich trat ein wenig näher an das Gebäude heran. Vor mir stand Matt in der Vormittagssonne, ein herrlicher Anblick. Er hatte sich umgezogen und trug jetzt ein dünnes T-Shirt. So stand er dort am Geländer, während hinter ihm die Autolawine vorbeidonnerte und der Smog in die Luft stieg. Ich hatte nie etwas Schöneres gesehen.
    Und dann kam sie nach draußen.
    Ihre Haare waren jetzt lang und flatterten hinter ihr im Wind. Im Kontrast zu ihrem gewölbten Bauch waren ihre Schultern und Arme sehr dünn. Sie berührte seine Schulter, und welche Gedanken ihm auch durch den Kopf gegangen waren, sie zerstreuten sich, und er war wieder ganz da, bei ihr, seiner reizenden Frau und Mutter seiner Kinder. Er zog sie vor seinen Körper und schlang die Arme um sie, und so standen sie da und blickten ihrer Zukunft entgegen.
     
    Auf der Heimfahrt fing es an zu regnen, und die Tropfen prasselten wie eine Begräbnistrommel auf meinen Helm. Es war alles so viel auf einmal. Einerseits konnte ich endlich einen Schlussstrich unter meine Vergangenheit mit Matt ziehen, andererseits schmerzte mich die Wiederbelebung eines Traums, von dem ich geglaubt hatte, ihn längst hinter mir gelassen zu haben. Eine Zukunft, in der ich jede Nacht mit ihm in unserem gemeinsamen Bett lag und in der wir zusammen eine Familie gründeten, flackerte im Lichtschein meiner Scheinwerfer über den Asphalt und löste sich dann in Luft auf wie Rauch, der von einem Feuer aufsteigt.
    Seine Kette hielt ich im Inneren meines Handschuhs umklammert. Die Fahrt schien länger zu dauern als sonst. Meine Gedanken und mein Herz waren angefüllt mit Matt, seinem Geruch, seinem Körper. Wie sollte ich ihn jemals vergessen? Aber nach und nach beruhigten sich meine Gefühle, und als ich in die lange Auffahrt zu unserem Haus in Westchester einbog, wusste ich, dass ich irgendwann in der Lage sein würde, die Dinge anzunehmen, wie sie waren. Auf bittersüße Weise war ich sogar froh, dass ich ihm sein Glück mit Vivian geschenkt hatte.
    Ich parkte die Ducati vor der Garage und sammelte mich, bevor ich über den Rasen ging und auf die Haustür zusteuerte. In diesem Moment kam mein zwölfjähriger Sohn mit seiner
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher