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Golem XIV

Golem XIV

Titel: Golem XIV
Autoren: Stanislaw Lem
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die auch mit dem Terminus »Embryotransfer« bezeichnet wird und darin besteht, daß das befruchtete Ei einer Frau einer anderen, bisher unfruchtbaren eingepflanzt wird. Diese und andere »Premieren« berechtigen zu der Annahme, daß man auf die Clonation des Menschen nicht zweihundert Jahre wird warten müssen, wie die Pessimisten unter den Fachleuten meinen.
    Im übrigen liegt die Kontroverse um die Clonation für die folgende Abhandlung am Rande. Als ich 1962 die »Summa« schrieb, streifte ich eine andere Angelegenheit, die Kołakowski ebenfalls für ein Märchen hielt, nämlich den Einfall, wie er es sagt, »die Ingenieure würden in fernen Spiralnebeln neue Planeten konstruieren«. In Wirklichkeit habe ich zugleich mehr und weniger geschrieben, als Kołakowski behauptete. Ich zitiere nach der deutschen Ausgabe im Insel Verlag 3 , S. 485: »Verwegen wäre erst (…) die Absicht, nicht mit der Natur und innerhalb ihrer zu bauen, sondern sie zu steuern, anders gesagt, die Evolution in die Hand zu nehmen, nicht die biologische oder homöostatische Evolution, sondern die Evolution des gesamten Weltalls. Wahrhaftig: der Plan, zum Steuermann der Großen Kosmogonie zu werden (…) eine solche Absicht wäre schon eine erstaunliche Verwegenheit. Von ihr wollen wir auch gar nicht reden. Vielleicht deshalb, weil es vollkommen, aber wirklich vollkommen und für alle Zeiten unmöglich ist?
    Schon möglich, obwohl es sicher interessant wäre. Unwillkürlich drängen sich Fragen auf: Woher soll denn die Energie kommen, um die Veränderungen in die gewünschte Richtung zu lenken? (…) Wie läßt es sich bewerkstelligen, daß die Natur die Natur beherrscht, daß sie – aufgrund eines regulativen und nicht energetischen Eingriffs – sich selbst gestaltet und sich dorthin entwickelt, wo die wahren Ingenieure des Weltalls – oder vielmehr: die Ingenieure der definitiven Entwicklung des Weltalls sie haben wollen? Von all dem wird jedoch nicht die Rede sein.«
    So habe ich also, nachdem ich den Gedanken von der »kosmogonischen Ingenieurkunst« gewagt, diesen Gedanken unverzüglich als unreal verworfen. Flüchtig bin ich auf ihn zurückgekommen in dem Roman »Stimme des Herrn« 1968 4 , doch wird er dort, in der Diskussion der Physiker als radikale Anschauung verkündet und von anderen Theoretikern abgelehnt, nicht weiter verfolgt. Erst 1971 wurde er zum ausschließlichen Thema der »Neuen Kosmogonie«, die in den Band »Die vollkommene Leere« einging 5 (deutsche Ausgabe im Insel Verlag 1973).
    Also habe ich erst auf dem Terrain der Literatur die Selbstsicherheit wiedergewonnen, denn die »Neue Kosmogonie« ist eine Rede, die mein Held, ein Wissenschaftler, anläßlich der Verleihung des Nobelpreises an ihn für eben seine Neue Kosmogonie hält. Es handelt sich um die Vorstellung eines Kosmos, der seit Urzeiten von der Vernunft geformt wird, d. h. von den Hohen Kosmischen Zivilisationen; sie sind in ein unablässiges Spiel verwickelt, eine Art solidarisches Ringen mit der in gewünschter Weise umgeformten Natur.
    Die »Neue Kosmogonie« fand ihrerseits kein kritisches Echo, weder als literarische Phantasie noch als Hypothese, die ernstliche Beachtung beanspruchte. Um so größer war meine Verwunderung, als ich in dem Wochenblatt »New Scientist« vom 23. März 1978 6 ein Kapitel aus dem soeben veröffentlichten Buch »The Runaway Universe« von Dr. P. Davies fand, ein Kapitel, das den in ein technologisches Erzeugnis verwandelten Kosmos einer fernen Zukunft beschreibt. »The Runaway Universe« ist ein populärwissenschaftliches Werk, das den derzeitigen Stand des kosmogonischen und kosmologischen Wissens referiert. Das Weltall begann ihm zufolge mit der »Großen Explosion« (Big Bang) vor zehn bis zwanzig Milliarden Jahren; sie gab zugleich den Impuls für die zentrifugale Flucht der Spiralnebel, die nie wieder zusammenkommen, sondern, sich in weiteren Milliarden von Jahren immer weiter voneinander entfernend, durch die kosmischen Räume segeln werden, bis die Energie aller Sterne verbrannt ist und verlöscht – und das sich weiter ausdehnende Universum nur noch ein immer dünneres Schneegestöber toter, erkalteter Aschenhaufen sein wird.
    Mindestens also von diesem unweigerlichen Prozeß des Anwachsens der Entropie her wartet auf alles Leben im Kosmos die unerbittliche Vernichtung. Entgehen kann man ihr nicht, Davies jedoch sieht eine Chance, das Leben hochentwickelter Zivilisationen – sogar um Jahrmilliarden – zu
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