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Goldfasan

Goldfasan

Titel: Goldfasan
Autoren: J Zweyer
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24. März verfasst worden, der letzte also am Tag ihres Verschwindens. Sie hatte sie dem Adressaten nicht mehr übergeben können. Golsten legte die Briefe zurück in den Koffer. Er hatte das Gefühl, dass ihn diese Schreiben nichts angingen.
    Seine Finger ertasteten ein weiteres Stück Papier – ein Foto. Eines jener gestellten Familienbilder. Die Frau sitzend, der Mann links neben ihr stehend, seine Hand beschützend auf ihrer Schulter. Drei Kinder. Zwei Jungen links vor dem Vater, ein Mädchen rechts. Bei dem Mädchen handelte es sich ohne jeden Zweifel um Marta Slowacki. Das Gepäckstück war ihr Koffer. Marta Slowacki war von hier nicht abgeholt worden, um lediglich irgendwo anders untergebracht zu werden. Sie war abgeholt worden, um zu sterben. Um mit einer Kugel im Kopf im Rhein-Herne-Kanal zu enden. Abgefeuert aus einer Sauer 38H. Aus Trasses Sauer 38H! Der Kaufhausbesitzer besaß eine solche Waffe. Schönberger hatte Golsten am Morgen die Durchschrift der Waffenbesitzkarte auf den Schreibtisch gelegt.
    Golsten wandte sich der Kiste zu und machte sie auf. Unter Holzwolle, Töpfen und Pfannen fanden sich Schmuck und siebenarmige Leuchter. So wie es aussah, war alles aus massivem Gold. Golsten hatte keinen Zweifel: Hehlerware. Walter Munder war also ein Hehler gewesen. Und sein Schwiegervater steckte im gleichen Sumpf. Erklärte die Kiste den Mord an dem Parteibonzen?
    Golsten legte alles wieder sorgfältig an seinen Platz, verschloss die Kiste und kroch durch den Schrank zurück in den anderen Keller. Er verriegelte die Rückwandtür, schob die Kleidungsstücke in ihre ursprüngliche Position und schloss die Schranktür.
    Da hörte er Motorengeräusch. Autotüren schlugen, Stimmen erklangen. Schritte näherten sich dem Haus.
    Golsten löschte die Taschenlampe, wollte zur Kellertür, ins Freie, war nur noch wenige Meter vom rettenden Ausgang entfernt, als jemand draußen im Abgang rief: »Ich sehe nur kurz nach, ob auch alles verriegelt ist.«
    Golsten zuckte zusammen. Die Kellertür! Jeden Moment würde der Unbekannte sie öffnen und dann … Er musste sich verstecken. Nur wo? Natürlich. Der Schrank. Golsten lief zurück, öffnete in aller Hast die Schranktür, drückte den Hebel. Kaum war der Zugang frei, schob er sich durch die Öffnung und versperrte hinter sich den Weg. Nun stand er da, im Dunkeln, und sein Herz schlug ihm bis zum Hals.
    Er hatte sich keinen Moment zu früh in Sicherheit gebracht.
    Die Kellertür wurde geöffnet und die Stimme rief: »Frau Munder, Sie hatten den Keller nicht abgeschlossen. Ich sehe nach, ob alles in Ordnung ist.« Dann, nach einer kurzen Pause: »Wenn es Ihnen recht ist, verriegele ich die Tür und bringe Ihnen den Schlüssel nach oben.«
    Golsten konnte nicht verstehen, ob dem Mann geantwortet wurde. Ihm brach der kalte Schweiß aus und er begann zu zittern. Nun war er gefangen. Der einzige Weg auf die Straße führte durch das Haus.
    Die Schritte kamen näher. Eine Tür wurde aufgerissen, die Deckenbeleuchtung eingeschaltet. Jemand öffnete den Schrank. Licht drang durch Ritzen der Schrankrückwand in Golstens Versteck. Golsten hielt die Luft an. Die Tür wurde wieder geschlossen. Golsten atmete tief durch.
    »Im Keller ist niemand. Sie sollten vorsichtiger sein. Wollen Sie nicht doch mit mir zurück zu Ihrem Vater fahren? Ich warte gerne, bis Sie Ihre Sachen gepackt haben.«
    Schritte polterten eine Treppe hinauf. Minuten später wurde vor der Villa der Motor eines Wagens gestartet. Ein Fahrzeug entfernte sich. Dann herrschte wieder Ruhe.
    Golsten verließ sein Versteck und schlich zur Kellertür, die nach draußen führte, obwohl er sich keine großen Hoffnungen machte. Sie war verriegelt und der Schlüssel im Sicherheitsschloss nun abgezogen. Er saß in der Falle. Ihm blieb nur die vage Hoffnung, dass er über die Treppe ins Erdgeschoss gelangen und dann durch den Flur ins Freie flüchten konnte, ohne dass Charlotte Munder, die offensichtlich eben heimgekehrt war, ihn bemerkte.
    Golsten wartete etwa dreißig Minuten, bis er es wagte, den Weg nach oben anzutreten. Langsam, ganz langsam bewegte er sich, jedes Knarren der ausgetretenen Holzstufen nach Möglichkeit vermeidend. Nur noch fünf Stufen. Jetzt noch vier. Golsten streckte seine Hand aus, um die Türklinke zu greifen. Völlig unvermittelt hörte er Schritte. Sie kamen näher. Jetzt blieben sie stehen. Sein Herzschlag geriet ins Stocken.
    Mit einem Ruck wurde die Tür geöffnet. Das helle Licht blendete den
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