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Göttersturz, Band 2: Der Galgenaufstand (German Edition)

Göttersturz, Band 2: Der Galgenaufstand (German Edition)

Titel: Göttersturz, Band 2: Der Galgenaufstand (German Edition)
Autoren: Lars Schütz
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ansonsten konnte man seiner Miene nicht entnehmen, dass er verärgert war. »Bist du etwa glücklich, wie es ist? Versetzt es deinem Herzen keinen Stich, wenn du hungernde Kinder auf der Straße siehst, nicht mehr als bloße Gerippe? Wenn du davon hörst, dass die Bauern der Ährlande so große Getreideabgaben an den Kreuzzug machen müssen, dass ihre Familien ab und an schon Gras essen?«
    Nur nicht einwickeln lassen, sagte sich Rowen. Natürlich drückte der Revolutionsführer jetzt auf die Tränendrüse.
    »Das ist alles traurig und bedauerlich«, entgegnete er. »Aber ich bin nicht der Mann, der daran etwas ändern könnte.«
    »Wir machen uns alle mitschuldig an diesem Verbrechen, Tag für Tag. Weil wir nicht den Mut aufbringen, dagegen vorzugehen.« Salus seufzte resigniert. »Aber gut, ich kann dich nicht zwingen, dich unserer Sache anzuschließen.«
    »Dann wäre das ja erklärt.« Rowen stand auf. »Danke für den netten Plausch.«
    »Warte!« Salus ergriff ihn am Handgelenk. »Wir vom Widerstand sind eine Gemeinschaft aus Brüdern und Schwestern. Es ist ein Geben und Nehmen bei uns. Solltest du irgendwann einmal in Schwierigkeiten sein, können wir dir helfen. Du findest uns in der Taverne Zum Hüpfenden Schwammling im Xallusviertel, unten in Sturzstadt.«
    »Ich werd's mir merken«, sagte Rowen und löste langsam, aber bestimmt seine Hand aus Salus' Griff. »So wie du ausschaust, stammst du nicht gerade aus einer bettelarmen Familie. Was kümmert dich das Leid der Menschen?«
    »Reichtum kann sehr schnell den Besitzer wechseln. Das sollte ein Dieb wie du wissen«, antwortete der Widerständler und klopfte sich auf die Stelle an der Brust, unter der das Herz saß. »Was zählt, ist lediglich das hier.«
    Dass das nicht sein wahrer Beweggrund war, dachte sich Rowen sofort. Er zwang sich zu einem Lächeln. »Ich wünsche euch viel Glück! Mir ist es gleich, wer an der Macht ist. Reiche Leute, die ich um ihre Besitztümer erleichtern kann, wird es immer geben.«
    »Vielleicht ist das ja das große Problem«, murmelte Salus, senkte den Blick und stützte die Ellenbogen auf die Knie.
    Bevor er weiterging, zwinkerte Rowen dem vierschrötigen Jolla zu. »Bis bald! Wenn wir uns noch einmal wiedersehen sollten, wirst du dich nicht so leicht anschleichen können.«
    Der Leibwächter setzte ein Grinsen auf, das Rowen die Nackenhaare zu Berge stehen ließ.
    »Da wäre ich mir nicht so sicher, kleine Maus.«

Der Vogel im Käfig
    Diebe ließen sich in drei Gruppen unterteilen: die Berserker, die Akrobaten und die Schleicher.
    Selbstverständlich waren die Berserker die langweiligsten unter ihnen; meist tumbe Kolosse, die alten Damen auf offener Straße ihre Geldbörsen entrissen und sich anschließend durchboxten, bis sie in Sicherheit waren.
    Rowens Meinung nach handelte es sich bei der zweiten Gruppe, den Akrobaten, um nichts anderes als Angeber. Sie erklommen hohe Türme, um an Tresore und Truhen zu kommen, und schleppten auch die meisten Frauen ab. Das Weibsvolk schien eine Schwäche für drahtige Kerle zu haben, die Salti schlugen und ihren Balkon erklimmen konnten.
    Natürlich gehörte Rowen der dritten Gruppe an, der angesehensten, edelsten und ehrenhaftesten – zumindest seiner Meinung nach –, den Schleichern. Sie erkundeten das Haus, das sie ausrauben wollten, Monate im Voraus, lernten die Patrouillenwege der Wachen auswendig und wussten auch darüber Bescheid, wann die Bewohner für gewöhnlich den Abort aufsuchten. Natürlich durfte man dabei nicht den Anfängerfehler begehen und unbeachtet lassen, wenn an einem Tag Bohnentopf oder Fencheltee auf dem Speiseplan stand.
    So gerne er sich auch als Schleicher rühmte, musste er jetzt auf die Fertigkeiten eines Akrobaten zurückgreifen.
    Es gab da noch jemanden, von dem er sich verabschieden musste.
    Und dieser jemand wohnte unglücklicherweise im obersten Stockwerk einer riesigen Stadtvilla.
    Er hatte abgewartet, bis die Patrouille der Stadtwache mit ihren schwankenden Laternen in der Hand und den schalen Witzen auf der Zunge vorbeigezogen war, und sich dann an den Aufstieg gemacht. Das bleiche Licht des Sichelmonds – wie ironisch – beschien seine Kletterei.
    Die schlaflose Nacht im Kerker und die knappe Flucht machten sich immer deutlicher bemerkbar. Auf der Hälfte des Weges fühlten sich seine Muskeln bereits wie der wabbelige Gelatinekuchen an, den die Kaufmänner oft als Nachtisch aßen. Jedes Mal, wenn er seine Finger in eine Mauerfuge trieb und sich
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