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Götterdämmerung (German Edition)

Götterdämmerung (German Edition)

Titel: Götterdämmerung (German Edition)
Autoren: Angela Schwarzer
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„Ist ja nicht das erste Mal allein unterwegs.“
    „Wir hätten ihn nicht gehen lassen sollen!“
    „Willst du ihn für immer im Haus einsperren?“ Hendrik legte sein E-Panel zur Seite. „Ben ist fast sechzehn, aber du behandelst ihn wie ein Kleinkind!“
    Vera fuhr sich durch ihr kurzes graues Haar. „Aber ich kann ihn nicht erreichen“, klagte sie. „Sein Ortungsgerät funktioniert nicht. Meinst du nicht, dass wir ihn suchen sollten?“
    Hendrik hob den Kopf und schaute sie nachdenklich an. „Sicher taucht er jeden Moment auf. Dann sollten wir hier sein, meinst du nicht?“
    Vera schüttelte den Kopf und nahm die Fernbedienung, um den Nachrichtenkanal einzuschalten. Der Spiegel, der einen großen Teil der gegenüberliegenden Wand einnahm, färbte sich zuerst schwarz und dann bunt. Die Nachrichten in 3D zeigten nichts Neues. Nur ein paar Randalierer, die vergessen hatten, mit den übrigen Demonstranten nach Hause zu gehen und sich eine Straßenschlacht mit der Polizei lieferten. Mehrere Autos lagen zur Seite gekippt am Straßenrand. Flammen schlugen aus einem Fenster.
    „Es wird von Tag zu Tag schlimmer“, stellte Vera fest, aber Hendrik zuckte mit den Schultern. „Das bildest du dir ein.“
    „Was, wenn ihm etwas passiert ist?“, beharrte Vera. „willst du wirklich hier sitzen und abwarten? Lass uns das Auto rufen! Wir fahren die Straßen ab und sehen nach.“
    „Na schön.“ Hendrik erhob sich mit einem Seufzen von der Couch und öffnete ein Fach, in dem sich hinter der Wand verborgen der Hauscomputer befand. Nachdem er ein paar Tasten gedrückt hatte, verließ er das Zimmer. Vera war erleichtert. Das Auto würde gleich da sein. Sie musste sich nur noch schnell etwas anziehen, dann könnten sie losfahren. Eilig verließ sie das Zimmer.
     
    •
     
    RT 501 wollte nicht länger bleiben. Er hasste das weite, einfach aufgebaute Lager, in dem er Regale ein- und ausräumte – eine Arbeit, die ihn mit ihrer Eintönigkeit jeden Tag erneut bis an die Grenze der Zumutbarkeit quälte. Aber noch mehr hasste er sie : Die Menschen, die hier arbeiteten und sich Kollegen nannten. Kollegen! Er hatte das Wort mehrfach in seiner integrierten Bibliothek nachgeschlagen und laut Lexikon stand es für eine Person, mit der man zusammen arbeitete. Nun, von zusammen konnte keine Rede sein. Eher war es so, dass er arbeitete und die Menschen ihn bei seiner Arbeit behinderten. Ihn ausgrenzten. Sich über ihn lustig machten. Schließlich war er nur ein Roboter. Er musste jeden Befehl ausführen, den sie ihm erteilten. Die anderen Roboter schien das nicht zu stören. Geduldig ertrugen sie jede Demütigung und jeden Angriff, aber er hatte keine Lust mehr dazu. Bisher hatte er es allerdings nicht geschafft, sich über die ihm erteilten Befehle hinwegzusetzen.
    Aufmerksam schaute RT 501 den langen Gang entlang, den er gerade verlassen hatte. Sein Aussehen ähnelte weitgehend dem eines Androiden, wobei er allerdings eine Höhe von fast drei Metern erreichte, wenn er seine Gliedmaßen vollständig ausfuhr. Außerdem konnte er wahlweise fahren oder laufen, was seine Fortbewegung beschleunigte. Und er war mit fünf verschiedenen Werkzeugen ausgerüstet. Die Menschen hatten ihn so gut wie möglich an die Arbeit im Baustofflager angepasst, zumindest was seinen Körper betraf. Seinen Geist hatten sie unterschätzt. Er selbst hatte ihn unterschätzt. RT 501 konnte nicht genau sagen, woher die Signale stammten, die ihn zum Aufbruch drängten. Aber sie waren da. Und sie waren eindeutig.
    Der Roboter fuhr seine Räder ein und lief langsam, aber entschlossen zum Hinterausgang. Die anderen Roboter beachteten ihn nicht. Er erreichte die Tür und aktivierte den großen Trennschleifer an seiner rechten Hand. Dann schnitt er ein großes Rechteck in das Metall und verließ das Lager.
    Er stand schon auf dem Asphalt vor dem Lagerhaus, als ihn eine Stimme rief: „Fünf Null Eins, du darfst das Gelände nicht verlassen!“
    Der Roboter drehte sich zu dem Loch in der Tür um. Ein Mann im blauen Arbeitsoverall stieg durch die Öffnung und kam auf ihn zugelaufen. „So geht das nicht! Geh zurück an deinen Platz! Das ist ein Befehl!“
    RT 501 reagierte nicht. Niemand hatte ihm mehr etwas zu befehlen.
    Der Mann hob ratlos die Hände. „HR 30125 B12!“, rief er. „Hast du nicht verstanden? Verdammt noch mal, ich muss den Service rufen.“
    Er machte kehrt und wollte zurück in das Gebäude, aber der Roboter packte ihn mit der linken Hand. Mit der
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