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Göring: Eine Karriere (German Edition)

Göring: Eine Karriere (German Edition)

Titel: Göring: Eine Karriere (German Edition)
Autoren: Guido Knopp
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ausstreckte. Görings Ansehen versprach Nutzen für die Partei. Der joviale Ordensträger und der fanatische Demagoge – es war wie ein Teufelspakt.
     
    In den folgenden 23 Jahren ihres gemeinsamen Weges half Göring, Hitler salonfähig zu machen und den Demagogen in die Höhen unumschränkter Macht zu hieven. Der hochdekorierte Fliegerheld des Ersten Weltkriegs war Hitlers Steigbügelhalter und bald sein mächtigster Gefolgsmann. Wie ein Krake streckte er nach der »Machtergreifung« seine Fangarme in fast alle Bereiche des »Dritten Reichs« aus, häufte Amt um Amt, Würde um Würde auf seine Person, bis er unbestritten als der »zweite Mann« hinter Hitler galt. Seine Heirat mit der Schauspielerin Emmy Sonnemann inszenierte er als Schauspiel für die Menge. »Jetzt bleibt ihm nur noch eins – der Thron oder das Schafott«, mokierte sich der britische Botschafter Sir Eric Phipps über die »Traumhochzeit des Dritten Reichs«.
     
    Sosehr er Hitler bewunderte, in der Außenpolitik tat Göring sich im Laufe der Jahre immer schwerer, seinem »Führer« zu folgen. Er war alles andere als ein Pazifist, doch im Gegensatz zu Hitler auch kein Hasardeur. Zu sehr fürchtete er die Risiken der kriegerischen Ausdehnung des Hitlerreichs und vor allem den Zweifrontenkrieg. Stattdessen setzte er auf die weitere Erpressung an den Konferenztischen Europas – à la Österreich und Sudetenland. »Wir wollen doch das Vabanquespielen lassen«, mahnte er den vorwärtsdrängenden Hitler. »Ich habe in meinem Leben immer va banque gespielt«, wies dieser ihn zurück. Es war nicht Friedensliebe, die den »zweiten Mann des Dritten Reichs« mit dem Verratsgedanken spielen ließ, sondern die berechtigte Besorgnis, dass die aggressive Expansion diesen Staat, von dem er doch so profitierte, kippen würde: »Es ist furchtbar. Hitler ist verrückt geworden«, erklärte er einem Vertrauten kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs. Doch Göring saß in der Loyalitätsfalle. Offene Rebellion war für ihn undenkbar. Und so gebärdete er sich nach dem Sündenfall als eifrigster und aggressivster Paladin von allen, erwies sich als der aufgeblasene Popanz, den die schwedischen Ärzte schon Mitte der zwanziger Jahre diagnostiziert hatten.
    Doch als sein Werk, die Luftwaffe, im Krieg versagte, war es aus mit ihm. Der »parfümierte Nero«, Inbegriff von Machtmissbrauch und Korruption, versank in seiner Sucht und seinen Leidenschaften. Von seiner Rolle als »zweiter Mann des Dritten Reichs« blieb am Ende nur der Schein erhalten. Obwohl er längst in Misskredit gefallen war, hielt Hitler dennoch an ihm fest. Aus Sicht des Diktators wäre es einem Offenbarungseid gleichgekommen, »den korrupten Morphinisten« inmitten der Niederlagen zu entlassen. »Es ist entsetzlich, welche Winkelzüge man machen muss, um Görings Prestige nicht zu lädieren, andererseits aber das für den Krieg dringendst Notwendige zu tun«, jammerte Hitlers Propagandachef Goebbels Ende 1944. »Man möchte manchmal glauben, dass Göring der Kronprinz wäre, von dem jedermann weiß, dass er nichts taugt, den man aber … nicht absetzen kann. Der Führer hat Göring in guten Zeiten zu groß werden lassen; jetzt, in schlechten Zeiten, hängt er ihm wie ein schweres Bleigewicht am Bein.«
     
    Und so fand er schließlich seinen Tod als »Nazi number one«, der er schon lange nicht mehr war – gefangen in der Illusion, die Nachwelt werde ihm Gerechtigkeit erweisen: »Ihr werdet unsere Knochen einst in Marmorsärge legen«, prophezeite er dem amerikanischen Gerichtspsychologen Gilbert, der ihn in seiner Nürnberger Zelle untersuchte. Die Knochen sind verbrannt, die Marmorsärge blieben aus. Gäbe es ein Grab, so müsste auf ihm als Inschrift das Wort des britischen Historikers Lord Acton stehen: »Macht neigt zur Korruption. Absolute Macht führt zu absoluter Korruption.«

Der Flieger
     
    »Der Reichsmarschall, der Reichsmarschall kommt!« Der Ruf pflanzte sich fort von Ort zu Ort. Eine Kolonne wie diese hatte man in den idyllischen Alpentälern lange nicht gesehen. Wanderer, Horch, Maybach – die Nobelkarossen des Reichs waren versammelt. Vor allem der Maybach – 16 Zylinder, mit kugelsicheren Fenstern – fiel den winkenden Zuschauern am Straßenrand auf. In ihm saß, ja thronte der Reichsmarschall Hermann Göring samt Frau, kleiner Tochter und Adjutanten. Zum Anlass hatte Göring eine silbergraue Uniform gewählt und über sie einen zeltartigen Übermantel geschwungen, der seinen
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