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Goebel, Joey

Goebel, Joey

Titel: Goebel, Joey
Autoren: Heartland
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beugte und das Fleisch mit einer Gabel wendete.
    Es war ein untersetztes, androgynes Wesen mit dem Tattoo eines Zwergspitzes auf einem schlabberigen Arm, der zum Rhythmus eines Songs wackelte, in dem es immer wieder hieß, jemand wolle es irgendwem »besorgen«. Während die gutgekleidete Dame durch ihre Cartier-Sonnenbrille hindurch das verschwitzte Gesicht und die unanständig knappen, in die Pofalte hochgerutschten Shorts des korpulenten Kochs betrachtete, stellte sie sich vor, der Grillmief sei dessen [16] natürlicher Körpergeruch. Einen Sekundenbruchteil lang kam es ihr so vor, als würde Satans grellrotes Gesicht sie über den Grill hinweg angrinsen.
    Elizabeth – so hieß die 61-jährige Frau – schritt durch die Automatiktür und musterte den riesigen Raum der Länge nach, seine fünfzehn Reihen mit Verkaufsständen, jeder ein langer, rechteckiger Tisch, bedeckt mit, wie es aussah, Müll. Einige Stände waren aufwendig gestaltet, beispielsweise mit hohen Trennwänden voller T -Shirts, die mit Sprüchen wie WANTED: REDNECKS MIT BECK’S UND PICK-UP-TRUCKS bedruckt waren. Andere Stände hatten nur Tische, an denen Flohmarktverkäufer versuchten, Konföderiertenfahnen, Camel-Zigaretten-Produkte und Sport-Fanartikel an den Mann zu bringen.
    In der Hoffnung, eine Art Infostand zu finden, sah Elizabeth sich um. Dabei entdeckte sie eine verstörend große Menge Flip-Flops, jeder einzelne grellbunt und mit Rüschen und Tüll besetzt. Auf einem Pappschild stand: PHANTASIE-FLIP-FLOPS – AB 8 $. Verblüfft bemerkte sie, dass ein kleiner Junge das feminine Schuhwerk anprobierte.
    Lange Reihen Leuchtstoffröhren erhellten die gesamte Szenerie. Die Wände waren in einem faden Beigeton gehalten, stark beschmutzt und schmucklos. Von der hohen Decke hingen Ketten, an manchen waren Schilder befestigt, die meisten baumelten einfach nur herab. Der gewaltige Raum war zwar kalt und nichtssagend, kam ihr aber irgendwie bekannt vor.
    Nach einem weiteren prüfenden Blick in den Raum fand sich Elizabeth damit ab, das Gebäude zu Fuß abklappern zu müssen. Sie hielt sich ganz rechts, ging vorbei an einem [17] Mann mit schadhaften Zähnen, der alle Frauen schamlos von Kopf bis Fuß musterte und ihnen seine Erdnüsse anbot, vorbei an einem Nigerianer, der Holzarbeiten verkaufte und gerade zu jemandem »Ich gebe Ihnen mal meine Karte« sagte. Sie war peinlich darauf bedacht, vollkommen desinteressiert zu wirken, aus Sorge, von den Verkäufern an ihre Stände gelockt zu werden. Den Blick hielt sie auf den schmutzigen, ehemals weißen Fußboden mit seinen quadratischen Fliesen gesenkt, und wenn sie doch einmal aufblickte, sah sie schlaffe Orangenhaut und Pferdeschwanzfrisuren mit zur Seite gekämmten Fransen.
    Bald war sie mittendrin im Flohmarktland, hatte Körperkontakt mit gemischtrassigen Paaren und vierzigjährigen Großmüttern, mit langhaarigen Männern und Leuten, auf deren T -Shirts und Basecaps die Namen von College-Sportteams standen – obwohl Elizabeth sehr wohl wusste, dass die wenigsten von ihnen jemals studiert hatten. Außerdem sah sie einige überdrehte Mexikaner, die mit einem ferngesteuerten Auto spielten, eine üppige Schwarze in einem Tube-Top, das mit ihrem überquellenden Fleisch verschweißt zu sein schien, sowie einen Mann, der als Zwillingsbruder des Weihnachtsmanns hätte durchgehen können.
    Als sie endlich am Ende der ersten Reihe angekommen war, wurde ihr klar, warum ihr die Halle so bekannt vorkam. Sie hatte es nur vergessen, weil sie erst ein Mal hier gewesen war. In einer anderen Epoche hatte dieses Gebäude – nur einen Steinwurf vom ehemals soliden Story Boulevard entfernt – Bashfords profitablen allerersten Wal-Mart beherbergt. Er war vor über zwanzig Jahren geschlossen worden, für einen zweiten, größeren Wal-Mart, den wiederum man [18] letzten Winter aufgegeben hatte, als ein nagelneues Wal-Mart-Supercenter seine pompöse Eröffnung feierte.
    Blue Genes Tisch stand in der hintersten Ecke, zwischen einem Samuraischwerter verkaufenden Mittfünfziger und einem älteren Paar, das Weißkopfseeadlerfiguren und religiösen Glasfaserkrimskrams im Angebot hatte. Tag für Tag hockte Blue Gene auf einem metallenen Klappstuhl – einem von der Sorte, mit dem sich Profi-Wrestler gegenseitig vermöbeln – an seinem Tisch, zwirbelte häufig seinen Kung-Fu-Schnauzbart und horchte manchmal in sich hinein, um herauszufinden, ob seine Tabletten halfen, was er für unwahrscheinlich hielt, da jedes
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