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Gnadenlose Gedanken (German Edition)

Gnadenlose Gedanken (German Edition)

Titel: Gnadenlose Gedanken (German Edition)
Autoren: Peter Wagner
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ging, einen Menschen so zu quälen, dass er nicht vorzeitig das Bewusstsein verlor, oder gar vorschnell zu sterben wagte. Er machte das sehr geschickt, nahezu professionell. Dies hatte sie schnell erkennen müssen. Sie machte sich nichts vor, sie würde hier nicht mehr lebend rauskommen. Es ging nur noch darum, so schnell wie nur irgendwie möglich zu sterben, sowenig Qualen wie möglich zu erleiden. In ihrem Zustand zwischen Wahn und Verzweiflung, versuchte sie eine passende Strategie zu entwickeln, und sie kam zu dem Entschluss, dass es das Beste sei, wenn sie ihn bis aufs Blut reizte. Sie musste ihn so sehr provozieren, dass er den Spaß am Spiel verlor, und sie nur noch als lästig empfand. Aber wie provozierte man ein Monster? Ein Monster, das keine Gefühle zu besitzen schien. Ein Monster, dessen Gedanken ein normaler Mensch noch nicht einmal erahnen konnte.

    Veronika hatte sein Gerede immer noch nicht verstanden, ihre Taubheit hat diese Schwierigkeit auch nicht gerade verbessert. Mit ruhigen Gesten sprach er auf sie ein, so wie ein sehr weiser Lehrer einem besonders dummen Schüler etwas beibringen wollte. Doch sie verstand ihn einfach nicht, so sehr sie sich auch konzentrierte. Sie hing mit ihren Augen an seinen Lippen, wie ein Jünger die Worte seines Gurus aufsaugte, doch auf dem Weg zu ihrem Gehirn verloren die Bilder ihren Sinn.
    Die einzige Reaktion, zu der sie fähig war, äußerte sich in einem ziemlich dämlichen Grinsen, das sie durch monotones Kopfnicken noch betonte. Selbst als der Menschenberg ein Messer aus seiner Jackentasche zog, und damit auf ihren Busen zeigte, nickte sie ihn weiter an, als wolle sie ihn zu größeren Taten motivieren.

    Er nahm ihr Verhalten dankbar zur Kenntnis. Er hatte keine große Lust mehr aufs Spielen, irgendwie bereitete es ihm keine richtige Freude. Er wollte nun endlich seine Belohnung haben und sich dann den Rattenmann holen, bevor der sich wieder verkriechen würde.

    Noch etwa fünf Minuten, wenn ich einen guten Schlussspurt hinlegen würde, vielleicht nur vier. Ich hatte vor Ewigkeiten das letzte Mal ihre Gedanken empfangen. Weder von Veronika noch von dem Koloss, kam etwas bei mir an.
    Keine Nachricht von Veronika.

    „Denkt! Verdammt, denkt!“, dachte ich verzweifelt.
    Solange Veronikas Hirn noch imstande war zu denken, lebte es. Und solange der Koloss noch dachte, war er vielleicht noch nicht komplett durchgedreht. Vielleicht war in ihm, ganz tief in ihm verborgen, noch so etwas wie Mitgefühl, oder von mir aus auch Mitleid. So sehr ich in den letzten Tagen meine „Gabe“ verflucht hatte, so sehr wünschte ich mir nun, sie würde mich jetzt nicht im Stich lassen.

    […Blut! Oh Gott! Das Schwein hat mir meinen Busen abgeschnitten! Und es tut noch nicht einmal weh! Warum kann ich es denn nicht spüren? Ich will endlich tot sein, ich will nicht mehr! Scheiße!!!]

    Was hatte der Typ mit ihr gemacht? Das konnte doch nicht wahr sein! Unmöglich! Nein, das waren nicht Veronikas Gedanken gewesen, das waren lediglich ihre
Befürchtungen
gewesen. Ja. Das war es. Sie war vielleicht, (hoffentlich), in Ohnmacht gefallen, und jetzt phantasierte sie.

    [..säubern vorher. So blutverschmiert sind sie nicht so kuschelig. Aber bevor ich sie säubere, muss ich die Frau erlösen. Das bin ich ihr schuldig. Schließlich hat sie wenigstens
versucht
, mitzuspielen!]

    NEIN!!! Es waren
doch
ihre Gedanken gewesen, die den Weg in mein Gehirn gefunden hatten! Das konnte einfach nicht wahr sein! Das
durfte
nicht wahr sein!

    Ich fuhr einer alten Oma in den Rollator, und es war mir scheißegal. Warum saß sie auch nicht zu Hause vor der Glotze und sah sich die neuesten Werbespots für Gebissreiniger an? Warum spazierte sie nicht durch den Zoo, oder saß in irgendeinem gottverdammten Wartezimmer bei irgendeinem gottverdammten Arzt? Sie rief mir irgendetwas hinterher, ich konnte es nicht genau verstehen. Es interessierte mich auch nicht sonderlich. Ich war nur sauer, dass sie mich aufgehalten hatte.
    Noch zwei Minuten. Wenn nicht wieder so ein Stückchen welkes Fleisch meinen Weg kreuzen würde.

    Jesus hasste es, die Wohnung so zu verlassen. Er hätte gerne vorher saubergemacht, doch er hatte schon zuviel Zeit verloren. Außerdem war er jetzt doch etwas verärgert, er hätte doch noch gerne mit der Frau weitergespielt. Doch er hatte noch nicht einmal richtig von ihrem Blut trinken können, so sehr hatte ER ihn plötzlich angetrieben. ER konnte manchmal sehr streng sein, aber Jesus
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