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Gnadenlose Gedanken (German Edition)

Gnadenlose Gedanken (German Edition)

Titel: Gnadenlose Gedanken (German Edition)
Autoren: Peter Wagner
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sich ein neues Opfer suchen? Brauchte er jemanden, den er fürchten und jagen konnte? Wie lange würde es dauern, bis man ihn endlich fand und einsperrte? Oder ihn tötete? Warum konnte so ein Wesen wie er, solange auf dieser Erde herumwüten, ohne erkannt und entdeckt zu werden? Verschlossen wirklich alle Menschen ihre Augen vor dem Bösen? Ich war froh, diese Erde verlassen zu können. Ich brauchte sie nicht, und sie brauchte mich nicht.

    Jesus empfand tiefe Wut. Wieder war der Rollstuhlmann ihm entwischt. Der Portier des Hotels hatte
wirklich
keine Ahnung gehabt, wohin er sich verkrochen hatte. Zuerst hatte ihm der Mann gar nichts verraten wollen, berief sich auf seine Schweigepflicht, als sei er ein Arzt oder ein Anwalt. Jesus hatte ihn dann aber schnell davon überzeugen können, dass es für ihn das Beste wäre, wenn er mit ihm reden würde. Nachdem er dies getan hatte, war er zwar trotzdem gestorben, Jesus konnte nicht immer aufrichtig zu den Menschen sein. Schon gar nicht, wenn er es eilig hatte.
    Dem Portier war es überhaupt nicht aufgefallen, dass der Rattenmann verschwunden war, daher konnte er auch nichts über seinen Verbleib sagen. Selbst dann nicht, als er es sehr gerne getan hätte.

    Nun stand Jesus vor dem Hoteleingang und sein massiger Körper zitterte vor Wut. Er hatte versagt. Wieder war es ihm nicht gelungen, den Rattenmann zu erwischen. ER würde mit ihm sehr böse sein. Bisher war ER sehr nachsichtig mit ihm gewesen, doch wie groß war SEINE Geduld? ER musste doch von Jesus glauben, dass er doch noch nicht würdig war, IHN auf Erden zu vertreten. Wieder war es dem Rattenmann gelungen, sich zu verkriechen! Wie sollte er ihn denn jetzt aufspüren, wo sollte er ihn suchen?

    Unschlüssig stand er vor dem Portal und wusste nicht, welche Richtung er einschlagen sollte.

    Da plötzlich bekam er ein Zeichen. Ein Zeichen von seinem HERREN. Er spürte einen kleinen Stich hinter seinem rechten Ohr, und er hörte eine fremde Stimme im Inneren seines Kopfes.

    […sich ein neues Opfer suchen? Brauchte er jemanden, den er fürchten und jagen konnte? Wie lange würde es dauern, bis…]

    Was war das für eine Stimme? Wer sprach da in seinem Kopf? Dann verstand er. Und er schaute hoch in den Himmel und dankte seinem GOTT. Die Stimme des Rollstuhlmannes schien aus einer ganz bestimmten Richtung zu kommen. Jesus kannte nun den richtigen Weg. Mit großen, aber nicht zu hastigen Schritten, ging er los. Er benutzte nie ein anderes Verkehrsmittel als seine Beine. Auf sie konnte er sich immer verlassen, und schnell waren sie auch.

    Ich stand an der Brüstung und dachte nach. Ich philosophierte über Gott und die Welt. Warum eigentlich? Es hatte mich vor meinem Tod nie interessiert, also warum sollte ich mir ausgerechnet jetzt deshalb den Kopf zerbrechen? Wollte ich es nur hinauszögern? War es das? War ich plötzlich feige? Doch ich hatte überhaupt keine Angst. Ich war einfach zu faul, mich aus dem Stuhl zu ziehen, und mich an der Brüstung aufzurichten. Es bedeutete eine Menge Arbeit für mich, meinen halbtoten Körper in den Fluss zu werfen. Es war anstrengender als die Krankengymnastik in der Reha-Klinik, und die war schon sehr hart gewesen. Ich hatte einfach keine Lust auf diese Mühen, wollte noch ein wenig in meinem Stuhl sitzen bleiben.

    Noch lieber wäre es mir gewesen, wenn ich auch den Rollstuhl hätte mitnehmen können. Irgendwie hatte ich mich an ihn gewöhnt, er war ein fester Bestandteil von mir geworden. Ich wollte ihn nicht so vereinsamt hier stehen lassen, die Vorstellung war mir sehr unangenehm. Doch es war unmöglich für mich, ihn über die Brüstung zu wuchten. Ich hatte zwar durch das Rollstuhlfahren beeindruckende Muskeln bekommen, aber dazu waren sie auch nicht in der Lage.
    Ich ging mir mit meinen Gedanken selber auf die Nerven und beschloss, nun endlich Ernst zu machen. Noch länger konnte ich mich nicht mehr ertragen. Ich wollte mich endlich loswerden.
    Ich zog mich an der Brüstung hoch. Jetzt hatte ich auch einen viel besseren Blick auf den Fluss. Auch heute sah er harmlos aus, und er verbarg seine Gefährlichkeit. Träge floss das Wasser, und niemand hätte bei diesem Anblick gedacht, dass dieses Wasser über das Leben eines Menschen entscheiden konnte. Ich hoffte nur, dieses Mal würde der Fluss
ganze
Arbeit leisten. Wäre doch zu komisch, wenn ich als querschnittgelähmter
Blinder
wieder auftauchen würde. Das Gegenteil von den heiligen Wassern von Lourdes. Bei jedem Eintauchen
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