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Glueckstreffer - Roman

Glueckstreffer - Roman

Titel: Glueckstreffer - Roman
Autoren: K A Milne
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Sohn und seinen genetischen Defekt. Wie im Rausch habe ich mich in meinen Wagen gesetzt und bin davongefahren. Wohin, wusste ich nicht. Es war mir auch gleichgültig. Ich wollte nur fort, allem entfliehen – und das so schnell wie nur möglich.
    Das Wetter in jener Nacht war miserabel. Aber das hat mich nicht davon abgehalten, rücksichtslos Gas zu geben. Als die Reifen meines Wagens zum ersten Mal nicht mehr griffen, weil zu viel Wasser auf der Fahrbahn stand, hätte ich die Geschwindigkeit sofort drosseln müssen. Aber das kam nicht infrage. Und als auch noch ein Lieferwagen vor mir auftauchte, provozierte mich das nur noch mehr. Ich hatte keine Lust, im Schneckentempo hinter dem braunen Kastenwagen herzufahren. Da ich bei ständigem Gegenverkehr nicht vorschriftsmäßig links überholen konnte, versuchte ich es einfach auf der rechten Seite. Ich gab noch mehr Gas und setzte mich vor den Lieferwagen. Nur um dem Fahrer zu zeigen, dass er den Ver-kehr aufhielt, bin ich sogar auf die Bremse gestiegen. Das war sträflich leichtsinnig, ich weiß. Aber ich hatte nicht damit gerechnet, dass ich dadurch einen Unfall verursachen würde. Versucht man, einen Wagen bei Aquaplaning zu bremsen, muss man dies stoßweise tun, damit das Fahrzeug nicht ins Schleudern gerät. Ich dagegen trat die Bremse voll durch. Mein Wagen schleuderte. Während ich noch versuchte, die Kontrolle über das Auto zurückzugewinnen, warf ich einen flüchtigen Blick in den Rückspiegel. Ich war besorgt, der Lieferwagen könnte auf mich auffahren. Aber der Lieferwagen hatte bereits auf die linke Spur gewechselt. Wie es danach dazu kam, dass der Lieferwagen ebenfalls ins Schleudern geriet, weiß ich nicht. Jedenfalls war der Wagen auf einmal auf der Gegenspur und stieß frontal mit dem Volvo Deines Vaters zusammen.
    Mein Verhalten war verabscheuenswert. Der Unfall war allein meine Schuld. Wäre ich nicht gewesen, lebte Deine Familie noch. Dasselbe gilt für den Fahrer des Kastenwagens.
    Nachdem ich die erste Kollision gesehen und gehört hatte, verlor ich die Kontrolle über meinen Wagen vollends. Er brach seitlich aus, streifte die Bordsteinkante und überschlug sich zweimal. An das Folgende erinnere ich mich nur noch schemenhaft. Ich habe meine Finger wohl beim zweiten Überschlag verloren, bei dem die Scheibe zerbrach und mein Arm zwischen Wagen und Straße geriet. Aber das ist jetzt nicht mehr wichtig. Vier Finger sind ein kleiner Preis für meine Rücksichtslosigkeit, die vier Menschen das Leben gekostet hat.
    Wie und wodurch die anderen Autos in den Unfall verwickelt wurden, weiß ich nicht. Ich erinnere mich nur, in meinem Wagen gesessen zu haben, als dieser endlich liegen blieb. Was hatte ich getan? Mir war speiübel. Die Autotür ließ sich nicht öffnen. Dafür war die Heckscheibe zersplittert. Ich kroch durch die Öffnung und rannte die Straße hinauf zum Wagen Deiner Familie. Dort fand ich ein kleines Mädchen – Dich – weinend auf dem Rücksitz. Deine Tür war die einzige, die sich öffnen ließ. Im ersten Moment war ich hilflos. Dann hatte ich nur noch den Wunsch, Dich aus diesem Volvo und von dem grässlichen Anblick, der sich Dir bot, zu befreien. Ich habe Dich aus dem Auto gezogen, Dich fortgetragen und in sicherer Entfernung am Straßenrand vor einem Hydranten abgesetzt. Danach muss ich ohnmächtig geworden sein.
    Etwas später – ich weiß nicht, wie lange es dauerte – kam ich wieder zu mir. Zuerst habe ich alles um mich herum nur wie durch einen Nebel wahrgenommen, wusste nicht mehr, was geschehen war. Du warst da. Hast noch immer geweint und gesagt, der Unfall wäre Deine Schuld. Während ein Sanitäter mir die Hand verband, habe ich erfahren, dass Du Sophia Maria Jones heißt. Ich habe beobachtet, wie Du einen Zettel aus einem Glückskeks weggeworfen hast. Der Regen hat ihn den Rinnstein entlang direkt zu mir geschwemmt. Er war nass und zu einer kleinen Kugel zusammengedrückt. Aber ich habe ihn aufgehoben und gelesen. Ich habe ihn zur Mahnung daran behalten, dass ich Dein Leben zerstört habe.
    Eine Polizistin hat Dich zu einem Krankenwagen gebracht, und nur wenige Minuten später führten sie auch mich zu einem Notarztwagen. Zuerst habe ich mich geweigert, mich in dasselbe Krankenhaus bringen zu lassen, das ich eine Stunde zuvor so kopflos verlassen hatte. Rückblickend glaube ich, es war Fügung, die mir meine Verantwortung als Vater deutlich machte. Im Krankenhaus musste ich ständig an Dich denken. Du warst
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