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Glückskind (German Edition)

Glückskind (German Edition)

Titel: Glückskind (German Edition)
Autoren: Steven Uhly
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vorbeigegangen, als die Polizei die Mülltonnen durchsuchte.«
    Hans nickt. Sie schaut ihn an, während es in ihr arbeitet. Hans wartet. Sie beißt auf ihre Unterlippe, ihre Hände spielen nervös miteinander. Eine große Unruhe scheint durch ihren Körper zu irren und hier und da Halt zu machen, aber nur kurz. Sie setzt sich mehrmals um, sie fährt sich durch die Haare. Plötzlich lässt sie den Kopf hängen. Mit erstickter Stimme sagt sie: »Ich kann ihr doch nie wieder in die Augen sehen.«
    Hans schüttelt heftig den Kopf, er greift nach ihrer Hand. Er sagt: »Oh nein, das ist nicht so, glauben Sie mir. Es ist nur die Vorstellung, die so schrecklich ist. Die Schuldgefühle, weil Sie sie so lange bei mir gelassen haben. Aber wenn Sie sie dann endlich wieder im Arm halten, wird es wunderschön!« Er ist immer lauter geworden, jetzt schaut er sich erschrocken um. Aber außer den wachsamen Beamten schenkt ihnen niemand Aufmerksamkeit.
    Veronika zieht ihre Hand zurück. Sie schaut ihn an. Sie sagt: »Wissen Sie, warum ich Sie sehen wollte?«
    »Nein, warum?«
    »Weil mich bisher niemand besucht hat. Mein Vater nicht, meine Mutter nicht, mein Bruder nicht. Mein Mann, das Arschloch, sowieso nicht.« Sie atmet tief ein und aus, sie sagt: »Und jetzt sind Sie da und sagen mir, dass Chiara gar nicht tot ist.«
    »Chiara!«, sagt Hans überrascht.
    Chiaras Mutter schaut ihn überrascht an. Sie sagt: »Wie haben Sie sie denn genannt?«
    Hans sieht sie schüchtern an. Er sagt: »Ich habe sie Felizia genannt, weil sie so viel Glück hatte.«
    »So viel Glück!«, stößt Veronika aus.
    Hans ist ratlos. Er sagt: »Freuen Sie sich denn gar nicht, dass es ihr gut geht?«
    Da sieht Veronika ihm intensiv in die Augen, als wollte sie sagen: Schau her, schau in mich hinein und sag mir, was du siehst. Sie sagt: »Freude ist gar kein Ausdruck.« Sie schweigt. Sie sagt: »Sie haben ihr das Leben gerettet, das ich ihr nehmen wollte.« Tränen laufen ihr über die Wangen. Sie sagt: »Ich habe versagt. Als Mutter. Als Mensch. Ich kann jetzt nicht einfach weitermachen, als wäre nichts gewesen.« Sie wischt sich die Tränen weg, aber die Tränen laufen weiter. Sie tropfen auf die Tischplatte. Sie sagt: »Ich habe diese Strafe verdient.«
    Hans überlegt. Sie denkt wie Herr Wenzel, damit hat er nicht gerechnet. Er sagt: »Haben Sie sich nicht schon genug bestraft?« Sie schüttelt den Kopf, sie wischt sich die Tränen weg, die Tränen tropfen weiter auf die Tischplatte, sie stützt ihren Kopf mit den Händen, die Ellenbogen auf dem Tisch. Sie sagt: »Ich werde meine Kinder nicht zurückbekommen. Er will sie haben, und er wird sie kriegen. Was mache ich dann?« Sie schaut ihn an, sie wartet auf eine Antwort.
    Hans sagt: »Sie müssen neu beginnen«, aber im selben Augenblick hört er sich selbst sprechen und schüttelt den Kopf. »Nein, nicht neu beginnen, das geht gar nicht. Aber wenn Sie Hilfe brauchen, dann werde ich für Sie da sein. Ich habe Ihre Tochter sehr lieb gewonnen, und wenn Sie wollen, dann bin ich jeden Tag zur Stelle, um Ihnen mit ihr und Ihren anderen Kindern zu helfen.«
    »Haben Sie denn keine Familie?«
    Hans schüttelt den Kopf. Er sagt: »Meine Familie hat mich verlassen, vor vielen Jahren schon.«
    »Warum?«
    Hans seufzt. Er sagt: »Ich habe vieles falsch gemacht. Zu vieles. Eines Tages waren sie fort, meine Frau, meine zwei Kinder. Ich habe sie nie wiedergesehen.«
    »Und jetzt hat Ihr Leben wieder einen Sinn?«
    Hans nickt. »Ja, dank Ihrer Tochter.«
    Sie lehnt sich zurück. Sie schaut Hans jetzt anders an, kühler vielleicht, vielleicht distanzierter. Sie sagt: »Dass es für Sie gut war, macht es aber noch nicht gut.«
    Hans schüttelt den Kopf. Er sagt: »Nein, natürlich nicht, das weiß ich auch. Aber das Schicksal oder der Zufall oder Gott, nennen Sie es, wie Sie wollen, hat etwas Neues daraus gemacht. Und dieses Neue gibt Ihnen und mir die Möglichkeit, weiterzumachen.« Er beugt sich nach vorne. »Wenn Sie jetzt im Gefängnis bleiben, laufen Sie vor der Verantwortung davon, die Sie haben. Sie nehmen sich selbst die Chance, den Schaden, den Sie Ihrer Tochter zugefügt haben, zu heilen, Sie machen aus ihr eine Waise. Ich kann die Lücke, die Sie gelassen haben, nicht füllen. Seien Sie mutig! Stellen Sie sich Ihrer Tochter!«
    Auch Veronika beugt sich nach vorn. Sie sieht jetzt wütend aus. Mit gepresster Stimme sagt sie: »Ich kann mich nicht stellen, verstehen Sie das denn nicht? Ich habe mein Kind in eine
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