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Glückskekssommer: Roman (German Edition)

Glückskekssommer: Roman (German Edition)

Titel: Glückskekssommer: Roman (German Edition)
Autoren: Kerstin Hohlfeld
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genäht. Genau genommen war es also kein Helena-(von)-Senner-, sondern ein Rosa-Redlich-Kleid. Anscheinend hatte die Chefin das völlig vergessen. Als ich mit meinen Kolleginnen darüber sprechen wollte, winkten sie ab.
    »Du bist Lehrling«, erklärte mir Nora, als ob ich das nicht selbst wüsste.
    »Genau«, echote Annemarie. »Du musst jetzt wegen der Sache nicht gleich abheben.«
    Mir war schlagartig klar, dass ich von ihnen keine Unterstützung bekommen würde. Sie konnten mich einfach nicht ausstehen.
    Nur Jola beugte sich zu mir herüber und flüsterte verschwörerisch: »Musst du stellen ein Schälchen mit Knoblauch auf deine Brettfenster. Das hält fern böse Blicke und Neid. Sonst wird passieren etwas Schlimmes. Wirst du sehen.«
    »Ich denke, Knoblauch hilft nur gegen Vampire«, sagte ich lachend.
    »Musst du nicht lachen über die Weisheit von die alte Leute. Ist immer drin ein bisschen von die Wahrheit, Kind.«
    Ich nickte ihr zu. Die Sache mit dem Neid, die stimmte. Ob nun ausgerechnet Knoblauch dagegen half? Na ja.
    Von da an behielt ich meine Meinung jedenfalls für mich und konzentrierte mich auf das Abendkleid. Es sollte ein Traum werden …
     
    Und es ist ein Traum. Ich habe mich selbst übertroffen.
    Rosarote Fantasien wabern durch meinen Kopf. Dieses Kleid wird mein Durchbruch. Wäre es nicht wunderbar, schon bald eigene Visitenkarten zu haben?
    ›Rosa Redlich – Schneiderwerkstatt‹
    Das klingt nach ehrlicher Arbeit – mein Nachname ist genial – ohne ›von und zu‹ und ›Ateljeh‹ und Tralala. Einfach Rosa – die Lieblingsschneiderin der Reichen und Schönen in Berlin. Das reicht völlig.
    Ich sitze mit blödem Lächeln vor der Nähmaschine und starre Löcher in die Luft. Manchmal erwische ich mich selbst, wenn ich meinen rosaroten Zukunftsplänen nachhänge und dabei das Nähen vergesse. Aber habe ich nicht allen Grund, glücklich zu sein? Endlich, nach x Versuchen (und nachdem meine Eltern schon aufgegeben und mir eine Karriere als Sozialfall bescheinigt hatten), habe ich meinen Beruf, nein, meine Berufung gefunden. Und nicht nur das. Mein Leben ist einfach perfekt. Ich habe einen Freund (wir werden bald heiraten und in ein paar Jahren zwei Kinder haben), eine weltbeste Freundin (wir halten zusammen, egal, was kommt) und nun auch ganz tolle Karriereaussichten. Ich sehe mein zukünftiges Leben ganz deutlich vor mir. Und dazu brauche ich weder Glückskekse, noch Horoskope. Sorry, Annemarie!
    Leider vergesse ich manchmal vor lauter Träumerei, weiterzuarbeiten, und fange mir dann einen Rüffel von der Chefin ein. Heute weckt mich zum Glück meine beste Freundin Lila, bevor die Senner was merkt.
    »Hallo. Auf welchem Stern bist du gerade unterwegs?«, sagt sie und grinst.
    Ich lächele zurück. »Ich bin so aufgeregt. Nachher holt die Andrees ihr Kleid ab und heute Abend ist es dann so weit. Guckst du mit mir die Liveübertragung?«
    »Ist doch Ehrensache«, beteuert Lila. »Ich kaufe uns eine Flasche Sekt, mache ein schönes Essen und dann feiern wir … auch deinen neuen Job.«
    Ich schlucke.
    Sie kann Gedanken lesen. Woher weiß sie sonst, dass ich gerade von meiner eigenen Werkstatt geträumt habe? Ich mache absichtlich ein dummes Gesicht. Hä?
    »Nun tu doch nicht so«, sagt Lila und stupst mich in die Seite. »Du weißt doch, dass die Chefin in ein paar Tagen verkündet, wen von uns beiden sie nach der Ausbildung übernimmt. Nach dem Geniestreich mit dem Kleid ist doch wohl klar, wie ihre Entscheidung ausfällt.«
    Ach, das meint sie. Sie kann also doch nicht Gedanken lesen, wobei das auch nicht schlimm wäre, denn mit Lila teile ich alles . Jawohl!
    Jedenfalls bisher. Mir wird ganz schlecht, denn ich habe im Glücksrausch völlig vergessen, dass in zwei Wochen unsere Lehrzeit vorbei ist. Dann muss eine von uns gehen und woanders Arbeit suchen. Ich springe auf und nehme Lila ganz fest in die Arme. Ich will mich nicht von ihr trennen. Bisher sind wir noch nie lange auseinander gewesen, na ja … Außer während der zehn Semester, die ich mal studiert habe. Das war eine schlimme Zeit, denn Lila – mein Zwilling – fehlte mir schon nach drei Tagen entsetzlich.
    Lila ist nicht wirklich meine Schwester, genauer gesagt, ist sie eigentlich meine Cousine. Aber wir fühlen uns wie Zwillinge und haben außerdem denselben Nachnamen. Wir sehen uns sogar verblüffend ähnlich – beide klein, blond, zierlich und mit Sommersprossen im Gesicht. Unsere Väter sind Brüder, von denen
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