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Glennkill: Ein Schafskrimmi

Glennkill: Ein Schafskrimmi

Titel: Glennkill: Ein Schafskrimmi
Autoren: Leonie Swann
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belustigt, wie es die von George so oft getan hatten. Inzwischen war Beth ein Gedanke gekommen. Maple blökte freundlich, um Zora zu einer Erfrischung einzuladen. Arglos tunkte Zora ihre Nase in den unsichtbaren, verdorbenen Tümpel und soff nach Herzenslust.
    Dabei schielte sie verstohlen nach den Zuschauern. Die Menschen saßen mit blanken Gesichtern da, und nur Ham konnte man die Aufregung wirklich ansehen. Hatten sie Beths Plan durchschaut? In ihrer eigenen Herde hatte es an dieser Stelle einige aufgebrachte »George-tu’s-nicht!«-Blöker gegeben. Aber es war bereits zu spät. George hatte das vergiftete Wasser schon getrunken. Zum dritten Mal an diesem Tag starb Zora einen dramatischen Bühnentod.
     
    *
    Da war es. Ein kleines Stück Kuchen, in dem eine Gabel steckte. Mopple hatte gute Erfahrungen mit Kuchen, aber nicht ganz so gute mit Gabeln. Er zögerte.
    Das war ein Fehler. Der Mensch auf der anderen Seite des Kuchens hatte ihn bemerkt.
    »Hey«, rief er. »Gschsch, gschsch!« Dazu machte er plötzliche Handbewegungen, die Mopple normalerweise erschreckt hätten.
    »Du bist ein Zuschauer«, dachte Mopple the Whale und machte den Hals lang.
    Der Mensch schnappte Mopple das Kuchenstück mit einer verblüffend flinken Bewegung vor der Nase weg und hielt es hoch über seinen Kopf, wo Mopple es nicht erreichen konnte.
    Im selben Augenblick zuckten Zoras Beine zum letzten Mal in der Luft, dann lag sie still.
    Im selben Augenblick sah Tom O’Malley zum ersten Mal seit längerer Zeit wieder von seinem Guinness auf, sah im Schattenriss eine längliche Form, in der ein Metallgerät steckte, sah dahinter ein Schaf – tot? – war das nicht das schwarzköpfige direkt am Abgrund? – daneben ein schwarzer Widder mit vier Hörnern – Georges Schafe – sein Fuß stieß gegen etwas Weiches …
    »George!«, heulte Tom. Unter dem Tisch heulte Cuchulainn, Joshs alter Schäferhund, den er versehentlich in die Flanke getreten hatte.
    Georges Name hing noch lange in der Luft, während die anderen Geräusche nach und nach verstummten. Etwas veränderte sich in der Atmosphäre des Saals. Es war, als hatte der Wind kalte Luft in den Mad Boar geweht und dabei ein paar Lichter gelöscht.
    »Setz dich hin, Tom«, sagte Josh in die Stille hinein. Es klang streng. »Du bist besoffen. Setz dich einfach wieder hin.«
    Aber Tom dachte nicht daran, sich hinzusetzen. Er deutete auf die Bühne.
    »Die – Schafe! Das ist doch … Die wollen uns was über den Mord sagen!«
    »Das ist nicht komisch«, knurrte eine zweite Stimme.
    »Setz dich hin«, wiederholte Josh.
    Tom sah sich mit bleichem Gesicht und rotglühender Nase im Saal um.
    »Setz dich wieder hin«, wiederholte Joshs strenge Stimme zum dritten Mal. »Du bist besoffen.«
    Es stimmte. Tom war besoffen. Er plumpste zurück auf seine Bank und tätschelte Cuchulainn tröstend den Kopf. Schon wieder besoffen. Der Saal um ihn herum verschwamm. Dabei war doch noch vor einer Sekunde alles vollkommen klar gewesen. Die Schafe … es hatte etwas zu bedeuten. Aber wahrscheinlich bedeutete es eben nur, dass er besoffen war. Schon wieder. Hoffnungslos.
     
    *
    Auf der Bühne war inzwischen der Tod selbst in Gestalt eines schwarzen Widders erschienen. Eigentlich war Othellos Auftritt ja nicht wirklich nötig. Niemand, der Zora sterben gesehen hatte, konnte daran zweifeln, dass sie tot war. Aber Mopple, Maple und Zora hatten darauf bestanden, dass Othello mit in den Mad Boar kam. Othello kannte die Welt und den Zoo. Ohne ihn hätten sie sich nicht getraut.
    So belauerten nun Othello und Beth die Leiche, beide gierig nach Georges kleiner Menschenseele. Irgendwann hatte Beth keine Lust mehr zu warten. Miss Maple rollte Zora zurück auf die Weide, auf die andere Seite der Tribüne. Es war der einzige Teil ihres Auftritts, der nicht täuschend echt wirkte. Damit Beth die Leiche überhaupt bewegen konnte, musste Zora selbst kräftig mit den Beinen nachhelfen. (An dieser Stelle waren sie bei den Proben durch aufgeregte »Er-lebt!-Er-lebt!«-Rufe unterbrochen worden.)
    Aber George Glenn war schon tot, als die Schafe zum großen Finale ansetzten. Auf der Weide angekommen, blieb Zora starr auf dem Rücken liegen. Maple rammte ihr in Ermangelung eines Spatens einen Vorderhuf in die Brust. Es war ein atemberaubender Effekt, der Zora bei den Proben einige blaue Flecke eingebracht hatte. Der Tod in Gestalt eines schwarzen Widders streifte noch immer mit dämonisch funkelnden Augen um die Leiche
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