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Glennkill: Ein Schafskrimmi

Glennkill: Ein Schafskrimmi

Titel: Glennkill: Ein Schafskrimmi
Autoren: Leonie Swann
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entfernt, die Hände um die Lehne seines Rollstuhls verkrampft, saß der Metzger.

22
    Tom O’Malley beobachtete sein Guinness. Die letzten Tage waren gar nicht so schlecht gewesen. Die Leute hatten gerne mit ihm gesprochen. Weil er was zu erzählen hatte. Was das für ein Unterschied war, wenn die Leute gerne mit einem sprachen.
    Wundervolle Farben. Wenn man ihn gefragt hätte, was er am Guinness am liebsten mochte, wären ihm zuerst die Farben eingefallen. Schwarz, das oft auch ein dunkles Rot oder ein Braun sein konnte. Tom hatte mal ein Pferd in so einem Braun gesehen. Guinnessbraun. Und darüber dieses cremige Weiß, wie süße Sahne. Unwiderstehlich. Obwohl er in den letzten Tagen gar nicht so viel davon gebraucht hatte. Auf einmal wollten sie alle etwas von ihm. Wo er sich doch kaum erinnern konnte. Nur an etwas Weiches am Fuß und einen heftigen Schrecken.
    Seltsam, dass er jetzt, als nur noch selten jemand danach fragte, wieder anfing, sich zu erinnern. Wie lange er doch gebraucht hatte, um zu verstehen, dass der Spaten tatsächlich durch ihn hindurchging. Durch ihn hindurch! Kein Wunder, dass er jetzt wieder im Mad Boar saß und sich zukippte.
    »Wenigstens hab ich die Augen nicht gesehen«, dachte er. »Wenn du die Augen nicht siehst, dann geht’s noch.«
     
    *
    Mopple starrte zum dritten Mal in seinem Leben aus nächster Nähe in die Augen des Metzgers. Der Metzger starrte drohend zurück. Jetzt ohne Glasscheibe, ohne Nebel – nur durch ein bisschen Rauch. Dreimal war entschieden zu viel. Mopple machte eine Kehrtwendung und trabte wieder in Richtung Rampe. Gerechtigkeit schön und gut, aber der Metzger war der Metzger.
    Othello stellte sich Mopple stumm in den Weg.
    »Der Metzger«, japste Mopple. »Er bringt uns alle um. Mich zuerst!«
    Othello schüttelte den Kopf.
    »Er ist auch ein Zuschauer. Zuschauer tun nichts. Nie!«
    Mopple schielte unruhig hinunter zu den Menschen. Aber Othello schien Recht zu haben. Der Metzger rührte sich nicht. Nur seine großen Hände öffneten und schlossen sich um die Lehnen seines Rollstuhls. Mit klopfendem Herzen trat Mopple wieder zurück an den Bühnenrand, wo Maple und Othello auf ihren Auftritt warteten, während Zora bereits in die Mitte des Podests getrabt war.
    Zuerst musste sie den Menschen begreiflich machen, worum es ging: um George. Zora begann mit Georges charakteristischster Eigenschaft. Sie legte sich auf die Seite und machte die Beine steif.
    Ein paar Menschen applaudierten.
    Erschrocken war eigentlich niemand.
    Miss Maple schüttelte unmerklich den Kopf. Sie hatten noch gar nichts begriffen. Zora stand auf und versuchte es erneut, diesmal mit einer sehr viel spektakuläreren Sterbeszene.
    Während Zora langsam mit den Vorderbeinen einknickte und dramatisch blökte, musterte Mopple neugierig die Menschen. Das waren also Zuschauer. Sie taten tatsächlich nichts. Und was sich auf ihren Tischen abspielte, war gar nicht so uninteressant.
    Da gab es jede Menge Guinness in Gläsern, Menschenfutter in kleinen Näpfen und seltsame Ascheschalen. Routiniert witterte Mopple das Menschenfutter aus. Das meiste davon roch ungenießbar, aber dort, in der Mitte des ersten Tisches, wehte sich ein süßer, vielversprechender Geruchsfaden durch den Rauch. Mopple sah sich nach Zora um, die jetzt auf der Seite lag und mit den Beinen zuckte. Noch viel Zeit bis zu seinem Auftritt.
    Vorsichtig machte Mopple the Whale einen Schritt auf die Rampe zu. Das waren Zuschauer. Wenn sogar der Metzger nichts tat – wie harmlos mussten dann erst all die anderen sein! Während alle Aufmerksamkeit auf Zora gerichtet war, die gerade ihre letzten Atemzüge tat, legte Mopple seinen Lappen am Bühnenrand ab und stahl sich die Rampe hinunter, direkt vor den Tisch mit dem guten Geruch.
     
    *
    Oben auf der Bühne sprang Zora wieder auf. Diesmal mussten sie es verstanden haben. Jetzt kam der Mord selbst an die Reihe.
    Zora stolzierte mit langen, geraden George-Schritten über die Weide, einen An-die-Arbeit-faules-Viehzeug-Ausdruck in den Augen. Dann stellte sie die Ohren auf: eine Idee. George verließ die Stufen des Schäferwagens, um Beth einen Besuch abzustatten. Maple stand auf der anderen Seite der Plattform, ruhig wie ein Wolf, und wartete.
    Die beiden begrüßten sich. Maple machte ein scheinheiligfreundliches Gesicht. Sie stupste Zora mit der Nase: Beth wollte George zu irgendetwas bewegen. Aber George wollte nicht. Er schüttelte ungeduldig den Kopf. Zoras Augen blitzten dabei
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