Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Glashaus

Glashaus

Titel: Glashaus
Autoren: David Gray
Vom Netzwerk:
glitten auf Boyles Fuß zu. Er zog ihn zurück und blieb mit dem Echo ihrer Worte allein zurück.

    10 Uhr 48. Sie hatten ihm Handschellen angelegt und ihn durch einen schmalen Flur zu einer Treppe geführt, die er zwischen ihnen herab gestiegen war. Das hier jetzt war der Innenhof. zwei Reihen Polizeiwagen, die Fenster der unteren beiden Stockwerke vergittert und ihnen gegenüber ein hohes giftgrün gestrichenes Stahltor, bei dem ein gepanzerter Lieferwagen stand. Sein Taxi in den Knast.
    Younas hatte den Vertrag, den Bellini ihm gereicht hatte, unterschrieben. Sie würde ihn in zwei Tagen zusammen mit dem Anwalt im Gefängnis besuchen kommen, um sich von ihm seine Geschichte noch einmal anzuhören, und ihre Fragen zu stellen. Aziza und Sertab würden mit dem Geld, das Bellini ihnen dafür zahlte, genug zum Leben haben und wahrscheinlich sogar genug um ein besseres Restaurant zu kaufen, als das von dem sie so lange geträumt hatten.
    Vielleicht hatte der Anwalt gelogen, als er sagte, dass man Younas nicht wegen Mordes, sondern Totschlags anklagte, und er daher gute Chancen hatte, in weniger als fünf Jahren zum ersten Mal Freigang vom Gefängnis zu erhalten. Bis dahin wäre er fünfzig. Und fünfzig war nicht wirklich alt. Aber wahrscheinlich redete er sich das alles nur ein. Wahrscheinlich würden sie ihn niemals wieder einen Fuß auf eine ganz normale Straße setzen lassen.
    Der schlanke schwarze Polizist stand ein paar Meter vor dem Lieferwagen und sah ausdruckslos zu ihnen herüber.
    „ Parlez vous francais ?“ fragte der Polizist gerade als sie an ihm vorbeimarschiert waren.
    Die beiden Beamten, die Younas in ihre Mitte genommnen hatten, blieben stehen und Younas sah sich nach dem Mann, dessen Name Boyle war, um.
    „ Quie “
    Boyle blickte Younas eindringlich in die Augen. Die beiden Beamten wurden unruhig. Schien als mochten sie Boyle nicht sonderlich, waren aber nicht mutig genug ihn einfach zu ignorieren.
    „ Besser, als deutsch?“ fragte Boyle auf Französisch. Younas zuckte die Achseln und nickte leicht.
    „ Gut. Da ist etwas, das ich Sie noch fragen muss. Niemand kann Sie zu einer Antwort zwingen. Es wäre eine Art Gefallen, den Sie mir erweisen. Okay?“
    „ Sicher. Fragen Sie.“
    „ War es das wert? Diese vier Jungen zu töten. Macht es das, was sie Ihrer Tochter angetan haben nur um einen Hauch erträglicher?“
    Younas dachte darüber nach. Er war entschlossen nicht zu lügen. Was immer er antworten würde, sollte die Wahrheit sein oder ihr zumindest so nah kommen, wie nur irgend möglich.
    „ Nicht für Sertab, falls Sie das meinen. Vielleicht für meine Frau. Und ganz sicher für mich. Obwohl ich das zu Anfang bestimmt nicht erwartet hätte.“
    „ Also haben Sie es am Ende nur für sich selbst getan?“
    Younas dachte diesmal kaum eine Sekunde nach.
    „ Das ist nicht die Frage. Ich war schon einmal im Gefängnis. Nicht hier, sondern dort, wo ich herkomme. Im Gefängnis lernt man Dinge, die man nirgendwo sonst lernt. Zum Beispiel lernt man etwas über Grenzen. Und darüber, dass man, hat man sie erst mal überschritten, niemals wieder wirklich zurück kann. Diese vier Tiere - sie hätten gute Chancen gehabt vor Gericht damit davon zu kommen, nicht?“
    Boyle dachte darüber nach, wie hoch die Chancen der Tochter eines türkischen Bauarbeiters und einer Putzfrau gewesen wären, trat sie vor einem Gericht gegen die Söhne von Polizeipräsidenten und honorigen Unternehmern an.
    „ Schwer zu sagen. Vielleicht.“
    „ Nicht vielleicht. Bestimmt. Und danach hätten sie es wieder getan. Immer wieder. Weil sie über die Grenze hinaus waren und wussten, dass sie damit durchkommen solange, bis irgendwer sie auf dieselbe Art gestoppt hätte, wie ich.“
    Boyle schlug die Augen nieder und wandte sich ab.
    Die beiden Beamten schoben Younas zur Tür des Lieferwagens.
    Dumpfer Gestank nach kaltem Zigarettenrauch und Männerschweiß schlug ihm entgegen, sobald er das dunkle Innere des Lieferwagens betrat.

Epilog / 5. 9. 2000, 11 Uhr 03 - 20 Uhr 30
    11 Uhr 03. Boyle hatte sich ein Taxi nach Hause genommen. Durch die Wagenfenster sah er die Kollegen in den giftgrünen BGS-LKWS zum Bahnhof und in die City rollen. Im Radio spekulierte man über die Todesfälle der vergangenen Nacht. Boyle lehnte sich in den Sitz zurück und schloss die Augen.
    Es war vorbei.
    Er hatte gepokert, geblufft, gedroht und – letztlich den Hals aus der Schlinge gezogen. Keiner würde jetzt noch ihn selbst oder Teddy Amin
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher