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GLÄSERN (German Edition)

GLÄSERN (German Edition)

Titel: GLÄSERN (German Edition)
Autoren: Rona Walter
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den Körper meiner Seelenfreundin wandern ließ. Wut stieg in mir auf, als Giniver die Augen schloss und den Kopf beschämt an meine Schulter lehnte. Ruckartig wie ein Adler auf der Hut drehte der Lord seinen wuchtigen Kopf wieder Lady Amaranth zu. Seine Nackenwirbel knackten dabei viel zu laut.
    »Lady Amaranth …« Er erhob sich erstaunlich flink aus dem tiefen Sessel, fiel jedoch mit rudernden Armen sogleich wieder zurück. Ich schämte mich erneut mit glühenden Wangen fremd.
    »Es ehrt mich, dass Sie mir Personal auf dem langen Weg zur Verfügung stellen«, sagte er gepresst, »dennoch, ich reise stets allein und es ist mitnichten von Nöten, solch Geschütz aufzufahren, bei der Überführung eines jungen Weibsbildes –«
    Sie hob forsch die Hand. »Sie bezeichnen meine Tochter nie wieder als ein Weibsbild, auch wenn es eine überaus passende Bezeichnung für sie sein mag, das vorab. Abgesehen davon sende ich kein Personal mit auf Ihren Weg, Lord.«
    Ihr Hauchen hatte jenen bedrohlichen Unterton, den wir zu gut kannten, wenn sich Giniver wieder am süßen roten Wein gelabt hatte, ohne neuen bereit zu stellen, oder Eirwyn ihrerzeit ständig versuchte, heimlich an ihrer Mutter vorbei nach draußen in den Garten zum Spazieren oder Lesen zu flüchten. Oftmals kam sie von heimlichen Ausritten ohne Pferd zurück und mit zerrissenem Kleid. Meist eines der teuren, eigens angefertigten. Man kann sich vorstellen: Mutter und Tochter hatten selten einen guten Draht zueinander, wohingegen der Graf stolz auf die vielen Kenntnisse seines Kindes war.
    »Ich biete Ihnen Unterstützung an. Sie behalten Sie zudem ein wenig im Auge. Außerdem verbindet diese beiden eine Art freundschaftliches Gefühl mit meiner Tochter. Da sie misstrauisch sein sollte bei Ihrem Anblick, Lord Sandford, ist es sicherlich von Vorteil, mit ein wenig … familiärer Atmosphäre … bei ihr aufzuwarten. Alles Weitere erfahren Sie auf der Fahrt.«
    Ich seufzte genervt, da dieser Mann nun mich zweifellos während der kompletten Reise mit seinen Fragen löchern würde.
    »Bringen Sie mir meine Tochter in einem Stück zurück und machen Sie meinen Mann wieder zu einem gesunden Menschen. Das wäre alles.«
    Ein lächerlicher Auftrag für die angebotene Summe, wie ich fand. Aber der Genesung ihres Ehegatten zuliebe, hatte für die Lady weder Prestige noch Geld eine Bedeutung. Noch nicht einmal die Freiheit, die sie ohne ihre – zweifellos immer schon schwierige Tochter – genoss. Bereits seit dem ersten Auftreten der Krankheit, vermutlich eine Art der Schwindsucht, hatte sie alles Mögliche unternommen, was dem Grafen wenigstens Linderung bringen würde. Alle Arten von Kräutern und Knollen, die Giniver und ich sammelten und besorgten, machten den Grafen lediglich schwächer und elender. Dennoch starb er nicht. Seine Krankheit wirkte sich schnell auf meine Lady aus, wenn auch kaum merklich. Auch sie wurde fahriger, noch ungehaltener und ungnädiger, zog sich immer mehr in sich selbst zurück. Als sie Kunde aus Deutschland erhielt, wo Jezabel die Zuflucht ihrer Tochter bestätigt hatte, stieg ihre Laune zwar nicht mit jedem Schlag der Uhr, jedoch war ein Ende der Qualen – auch für uns – in Sicht. Und diese lag zum Glück nicht allein in den Händen dieses blaubärtigen Kretins.
    »Sie verfügen dennoch selbst über ausreichend Personal, Mylady?«, fragte Lord Sandford.
    Die Lady erhob sich und hätte dem stattlichen Lord, selbst wenn dieser gestanden hätte, mit ihrer beachtlichen Körpergröße und den bemerkenswert hohen Schuhen mindestens auf Augenhöhe entgegentreten können. »Mein Haus ist bestens versorgt. Aber haben Sie Dank für Ihre … Besorgnis. Nun …« Sie hob die Hand in Richtung Ausgang.
    »Ich habe nirgendwo anderes Personal bemerken können auf meiner Führung durch Ihr Haus«, unterbrach er.
    Ich verdrehte die Augen und bewunderte erneut Sandfords stoische Geduld. Scheinbar war er noch weniger lernfähig als bereits angenommen. Aber es zeichnete ihn immerhin als perfekte Wahl aus, für den Auftrag, der nun vor ihm lag: dunkel im Hirn und erleuchtet in den Augen, sobald die Goldstücke klimperten; scheinbar trotz seines ohnehin bestehenden Reichtums, wie man sagte. Lady Amaranth lachte kurz auf, so dass es wie Eisstücke klang, die auf Stein prasselten.
    »Als Führung kann man Ihren kurzen Marsch durch ein paar dieser verschlungenen Gänge wohl kaum bezeichnen. Vertrauen Sie mir, ich bin in guten … Händen.«
    Sie warf einen Blick
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