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Gillian Shields - Die Schwestern der Dunkelheit - 02

Gillian Shields - Die Schwestern der Dunkelheit - 02

Titel: Gillian Shields - Die Schwestern der Dunkelheit - 02
Autoren: Das heilige Feuer
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angetan hat, und was sie dir antun wollte, aber sie war immer noch meine Mutter. Ich vermute, ich hatte gehofft, dass sie sich eines Tages daran erinnern würde. Und jetzt ist es vielleicht zu spät.«
    »Glaubst du dann wirklich, dass Mrs. Hartle weg ist?«, fragte ich ruhig. »Ist sie … ist sie tot?«

    »Schschsch!« Helen runzelte warnend die Stirn. Der Raum füllte sich mit Mädchen, und es war klar, dass wir uns nicht länger darüber unterhalten konnten. Sarah kam herein und setzte sich uns gegenüber.
    »Tut mir leid, dass ich erst jetzt komme«, sagte sie. »Aber ich musste mich um Harriet kümmern und dann nach den Ponys sehen.« Sarah war verrückt nach Pferden und hatte zwei in den Ställen von Wyldcliffe stehen.
    »Habe ich dir schon erzählt, dass Dad mich für Reitstunden eingetragen hat?«, fragte ich leichthin, da ich über etwas Ernsthaftes nicht mehr sprechen konnte.
    »Das ist ja toll! Mrs. Parker ist eine gute Lehrerin, viel besser als ich.« Sarah hatte im letzten Term versucht, mir das Reiten beizubringen, aber obwohl ich mich durchaus auf dem Rücken von Bonny — ihrem Pony — halten konnte, war ich sicherlich nicht das, was man eine elegante Reiterin nannte. Helen schwieg, während Sarah und ich uns über die Möglichkeiten unterhielten, im Schnee über die Hügel zu reiten; dann läutete die Glocke erneut. Die Mädchen sprangen auf, als die Lehrerinnen hereinkamen und ihre Plätze einnahmen. Der geschnitzte Stuhl, auf dem die Oberste Mistress immer gesessen hatte, blieb allerdings leer, wie ein unbesetzter Thron.
    Miss Scratton, die Mistress, die für die älteren Schülerinnen zuständig war, stellte sich vor die gesamte Schule und sprach mit ihrer ruhigen, lehrerhaften Stimme das übliche Tischgebet. Mit ihrer schwarzen Lehrerinnentracht und ihrem strengen Haarschnitt und den lateinischen Gebeten erinnerte sie mich an eine Nonne … Benedic, Domine, nos et dona tua … In meinem ersten Term in Wyldcliffe war Miss Scratton die einzige Lehrerin
gewesen, bei der ich das Gefühl gehabt hatte, dass ich ihr vertrauen könnte. Ich war mir nicht sicher, warum das so war, aber ihr klarer Geist und ihre unbedingte Gerechtigkeit schienen für mich dagegen zu sprechen, dass sie zu den verhüllten und heulenden, grabschenden Frauen gehörte, denen wir in der Krypta begegnet waren.
    Das Gebet kam zum Ende. Miss Scratton bedeutete uns, dass wir uns setzen sollten. Die Geräusche hin und her geschobener Stühle und Bänke erklangen, und eine Woge von Aufregung lief durch die Reihen: »Sie wird uns etwas sagen …« – »Ich hab’s dir doch gesagt …« – »Endlich gibt es Neuigkeiten …«
    »Bevor wir mit dem Essen beginnen, möchte ich euch wieder in der Schule willkommen heißen«, verkündete Miss Scratton. »Es sind keine leichten Umstände, unter denen der neue Term beginnt. Traurigerweise wird unsere Oberste Mistress, Mrs. Hartle, immer noch vermisst. Die Polizei tut, was sie kann, und wir müssen so weitermachen wie bisher, trotz der Ungewissheit, trotz des Verlusts, den wir empfinden.« Für den Bruchteil einer Sekunde schien sie Helen geradewegs anzusehen, die still und steif neben mir saß. »Während Mrs. Hartles Abwesenheit müssen wir weiterhin versuchen, den hohen Standard zu halten, den sie stets gesetzt hat. Die Schulleitung hat bestimmte Vereinbarungen getroffen, um sicherzustellen, dass eure Ausbildung ungestört weitergeht. Miss Raglan, unsere Mathematiklehrerin, ist zur Vertreterin der Obersten Mistress ernannt worden und wird die Schule bis auf Weiteres leiten.«
    Die Mädchen schnappten nach Luft; das Geräusch war so laut, dass es klang, als würde jemand mit einer
Faust auf eine Trommel schlagen. Es schien, als hätten alle erwartet, dass Miss Scratton diese Position bekommen würde. Ich hatte ganz sicher damit gerechnet, und als ich eine leichte Röte über ihr schmales Gesicht huschen sah, dachte ich, dass sie es auch erwartet hatte. »Ich bin sicher«, sprach sie entschlossen weiter, »dass wir alle Miss Raglan die Unterstützung und Loyalität entgegenbringen werden, die sie verdient.« Sie fing an zu klatschen, und ein paar Mädchen machten mit, aber der Applaus dauerte nicht sehr lang.
    Miss Raglan trat vor. Sie war groß und hatte graue Haare, einen schweren, plumpen Körper sowie einen entzündeten, rötlichen Teint.
    »Es ist mir eine Ehre, für Wyldcliffe verantwortlich zu sein, auch wenn die Umstände traurig sind«, sagte sie. »Ich kann euch versichern, dass
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