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Gier (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition)

Gier (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition)

Titel: Gier (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition)
Autoren: Martin Krist
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sind – ein anderer Kulturkreis, eine andere Mentalität. Die nehmen sich einfach, was sie wollen. Mit diesen Hinterwäldlern kann man nicht reden.«
    »Gut«, befand Kalkbrenner und schritt zurück in den Flur. Hier war es noch wärmer als im Büro. Aber die Frauen, die herumwuselten, trugen außer Schlüpfer und Spitzen- BH auch nichts weiter am Leib. »Wir werden mit den Geschäftsleuten sprechen.«
    Gregorsens Oberkörper ruckte empor. »Mit wem?«
    Kalkbrenner lächelte. »Na, mit den Russen.«
    Fünf Minuten später stand Kalkbrenner vor seinem Dienstwagen, stieg jedoch nicht ein. Er folgte dem Blick seiner jungen Kollegin, die nachdenklich das Messegelände an der Avus betrachtete. Auf wenigen Quadratmetern enthüllte es den ganzen architektonischen Irrsinn des neuen Berlin: unterkühlt und ohne jegliches Gefühl, passend zum eisigen Winter in der Hauptstadt. So gesehen genau der richtige Ort für ein Bordell. Mit seiner Fassade aus Beton und Glas fügte sich das
Lovelight
nahtlos ein. Lediglich ein Lichterbogen verhieß in bunten grellen Neonfarben:
Love & Emotion.
Der Schriftzug hätte auch Werbung für Eiscreme oder einen Schokoriegel sein können.
    »Warum machen wir diesem Luden nicht einfach seinen Laden dicht?«, fragte Muth.
    »Weil er Recht hat«, erwiderte Kalkbrenner.
    »Hä?«
    »Er betreibt ein Geschäft wie jedes andere.«
    Muth schaute zum Eingang des
Lovelight.
Der Empfangsbereich war – bis auf den obligatorischen, glitzernden Weihnachtsbaum – bewusst dezent gehalten und strahlte durch das Fehlen jeglicher Schnörkel und all des schwülstigen Pomps, mit dem derartige Etablissements üblicherweise assoziiert wurden, eine gewisse Vornehmheit aus.
    Diesen Eindruck unterstrich auch der Portier, ein rüstiger Rentner in Pagenuniform, der den Männern aller Generationen, die alleine oder in Gruppen auf den Eingang zusteuerten, die Tür aufhielt. Mit dem Job besserte er wohl seine karge Rente auf. Und er musste sich nicht langweilen: Zum Feierabend herrschte ein ständiges Kommen und Gehen, als handelte es sich nicht um einen Puff, sondern um den einzig geöffneten Supermarkt in ganz Berlin, in dem es obendrein noch die günstigsten Weihnachtsgeschenke zu erwerben gab.
    Muth schüttelte den Kopf. »Das ist ja widerlich.«
    »Das ist Berlin«, korrigierte Kalkbrenner sie, während er sich hinter das Steuer setzte und den Motor startete. Er lenkte den Wagen auf die Straße des 17. Juni. Auf dem Asphalt hatte der Wind die Flocken bereits zu einem dünnen Schneeteppich verwoben. »Das Rotlichtmilieu genießt in dieser Stadt schon immer einen Sonderstatus. Anders als im Rest der Republik gibt es hier kein Sperrgebiet. Jeder kann, wo immer er will, ein Bordell betreiben.«
    »Mag sein, aber ...«
    »... früher hätte man Typen wie Gregorsen wegen Förderung der Prostitution oder, noch besser, Zuhälterei drankriegen können, ich weiß«, unterbrach sie Kalkbrenner.
    »Und warum hat man nicht?«
    »Weil sie gute Kontakte besaßen – zu Juristen, Anwälten, Rechtsverdrehern. Jeden freien Winkel, den das deutsche Gesetz bot, nutzten sie aus: Sie unterhielten Bordelle und Nachtclubs unter den raffiniertesten Deckmänteln. Die legendäre
Zimmervermietung
war da noch die einfachste Methode. Andere, raffiniertere Varianten waren die der Gastronomie und Immobiliengeschäfte. Nach der Wende ließen sie über
Arbeitsagenturen
billige Frauen aus Osteuropa herbeischaffen, mit denen sie die ersten FKK -Clubs etablierten, schäbige Hütten, die als Vereinshäuser deklariert wurden, in denen es für
Mitglieder
Sex zu sensationellen Discountpreisen gab.«
    Kalkbrenner hielt vor einer roten Ampel. Er blinzelte und das Licht entfaltete sich vor seinen Pupillen in einem schimmernden Kaleidoskop. Dann hob er die Augenbrauen und die Magie des Augenblicks verschwand.
    »2002 verabschiedete der Bundestag das Prostitutionsgesetz«, fuhr er fort. »Das Gesetz war gut gemeint, aber für Typen wie Gregorsen stellte es einen Freibrief dar: Von einem Tag auf den anderen waren seine Bordelle, Nachtbars und Stripclubs zu legalen Geschäften geworden. Nichts musste er mehr verheimlichen oder verklausulieren.« Die Ampel sprang auf Grün und Kalkbrenner gab Gas. Die Reifen drehten im Schnee kurz durch, bevor der Wagen einen schlingernden Satz machte, als hätte er es eilig, diesem Ort zu entkommen. »Das
Lovelight
ist das beste Beispiel: Früher hätten wir so einen Laden sofort wegen der Förderung von Prostitution schließen
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