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Gier (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition)

Gier (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition)

Titel: Gier (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition)
Autoren: Martin Krist
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ganz andere hatten die Konfrontation mit ihm, Dossantos, gesucht. Sie hatten ihn beleidigt, verleumdet und verunglimpft. Sie hatten ihm seinen Erfolg streitig machen und ihm all das wegnehmen wollen, was er sich hart erarbeitet hatte. Vergeblich. Auch Frieder von Hirschfeldt würde mit seinem Vorhaben scheitern. Denn auch er, Miguel Dossantos und Portugiese, war ein Gewinnertyp.

4
    »Bereit für eine Niederlage?« Der ältere Herr, der an einem der Tische auf der Terrasse der
Wilhelmshöhe
saß, streichelte mit der einen Hand den Bernhardiner, mit der anderen schwenkte er einen Beutel, in dem es hölzern klapperte.
    Kalkbrenner ließ sich auf dem Stuhl gegenüber nieder. »Kein Spiel vor dem Essen, Hubertus.«
    »Ach? Glaubst du etwa, du hast danach bessere Chancen?«
    »Man sagt, der Glaube könne Berge versetzen.«
    »Wer glaubt, der weiß nicht mit Bestimmtheit.«
    »Aber wer schon untergehen muss, sollte dies wenigstens gesättigt tun.«
    »Und von wem stammt diese Weisheit?«
    Kalkbrenner kramte in seiner Erinnerung. Der, der ihm einfiel, war: »James Bond.«
    Hubertus sah ihn verwundert an. Weil Kalkbrenner jedoch schwieg, zuckte er mit den Achseln und sagte: »Na gut. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben.«
    Der Kellner nahm ihre Bestellung auf: fangfrischer Dorsch direkt vom Warnemünder Fischer, dazu ein frisches Jever. Hubertus orderte außerdem noch einen Schnaps. Eigentlich hieß Hubertus Hubert. Bei einem der ersten Strandspaziergänge, die Kalkbrenner nach seiner Ankunft vor knapp fünf Wochen unternommen hatte, hatte Bernie den Gehstock des Rentners mit einem Apportierstock verwechselt. Kalkbrenner hatte sich mehrfach entschuldigt und den verschreckten Mann zu einem Kaffee in die
Wilhelmshöhe
eingeladen. »Ich heiße Hubert«, hatte der rüstige Senior sich vorgestellt. »Aber nenn mich Hubertus. Du weißt schon, nach dem Heiligen, der vor Hundebissen schützt.«
    Seit jener ersten Begegnung trafen sie sich jeden Abend auf der Terrasse und aßen gemeinsam. Wenn schließlich die Sonne hinter dem Horizont verschwunden war und die Laternenlichter aufflammten, eröffneten sie das Spiel.
    Eine lautstarke Rentnergruppe am Nachbartisch holte Kalkbrenner in die Gegenwart zurück. Gerade ereiferten sich die Senioren über die Unfähigkeit der Ärzte, ihre zahllosen Malaisen zu beheben, und die Gesundheitsreform, sowieso der Grund allen Übels.
    »Diese alten Säcke«, raunte Hubertus, »die sind doch alle gleich.«
    »Was?«
    »Na, was denn?« Hubertus’ Augen blitzten herausfordernd. »Darf ich so was etwa nicht sagen?« Er rückte näher. »Wenn ich solche da treffe …«, er deutete ein Kopfnicken in Richtung der Altherrenriege an und verzog den Mund, als scheute er davor zurück, das Wort Rentner auszusprechen, »dann komme ich mir vor wie im Altersheim:
Tun dir die Knochen auch so weh? Bist du die Treppen hochgekommen? Kannst du dich noch erinnern?
«
    »Dafür, dass du auch schon …«
    »Ich bin 74, und ich hab’s nicht vergessen. Na und? Ich fühle mich nicht so. Es gibt Tage, da fühle ich mich 30 Jahre jünger. Muss wohl am guten Ostseeklima liegen.«
    Vor zehn Jahren, kurz nach seiner Pensionierung, hatte sich Hubertus von seinem Ersparten ein kleines Häuschen am Meer gekauft. Die ersten Jahre hatte er dort mit seiner Frau Regina gelebt, seit ihrem Tod vor vier Jahren war er allein. Die Einsamkeit machte ihm nicht viel aus. Er war gesund und sorglos. Sein Haar hatte sich zwar bis auf einen grauen Kranz gelichtet, und unter der Nase wuchs ihm ein ebenso heller Schnauzer, doch in seinem weinroten Poloshirt, dem gleichfarbigen Blouson, der Jeans und den Sportschuhen wirkte er tatsächlich wie ein agiler 50er.
    Der Kellner servierte das Bier. Es schmeckte herb und frisch. Hubertus wischte sich über die Barthaare, in denen Schaum hängen geblieben war. »Und? Denkst du schon darüber nach, wie du mir gleich meinen König sprengen kannst?«
    »Darauf kannst du wetten.« Kalkbrenner ahnte, dass er auch heute vergeblich gegen Hubertus’ Scharfsinn ankämpfen würde. Aber in Wahrheit ging es ja nicht ums Gewinnen. Es ging lediglich um den Spaß am geistigen Wettstreit. Die Konzentration. Das ständige Geplänkel drumherum. So wie jetzt, als Kalkbrenner vom Jever trank und angab: »Ich habe die ganze Nacht geübt.«
    »Mit wem denn?«, amüsierte sich Hubertus. »Etwa mit Bernie?« Beim Klang seines Namens richtete sich der Hund prompt auf, gähnte, streckte sich und legte die Schnauze auf Hubertus’
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