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Gier

Gier

Titel: Gier
Autoren: Garry Disher
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hatte. Sein Bettzeug war feucht und zerwühlt. Er fühlte sich kaum erholt, aber seine Gedanken und Wahrnehmungen schienen nicht länger so sonderbar zu sein, und er verspürte Hunger. Bevor er irgend etwas dagegen unternahm, rief er das Drogendezernat an. Er sagte, sie würden im Haus von David Finn in Hawthorn etwas Interessantes finden. Nein, seinen Namen werde er nicht angeben, und dann legte er auf, bevor sie den Anruf zurückverfolgen konnten.
    Später duschte er, zog sich Hausschuhe und einen alten Trainingsanzug an und ging zur Küchentür hinaus, um von der Rückseite des Hauses Holz für den Kamin zu holen. Der Himmel hing tief, eine Prozession dunstiger Regenwolken zog über die Hügel. Er ging wieder hinein, nahm Rührei, Toast und Kaffee vor dem offenen Feuer zu sich.
    Es lag eine Spur von Anna Reid in der Luft, ein kaum wahrnehmbares, beunruhigendes Parfum. Mit seinen Gefühlen für sie hatte er noch nicht abgeschlossen. Sie wußte von ihm, wo er lebte, wußte von seiner Beteiligung an dem Überfall auf Finn. Selbst wenn sie bei ihrer Linie blieb und er nie wieder von ihr hören würde, würde er immer Nadelstiche fühlen, wenn er sich an sie erinnerte. Es war mehr eine Art Verwirrung als Verlangen. Verlangen ist etwas, was nicht andauert. Sie war wie er, aber er fragte sich, ob sie die Untersuchung überstehe und ob es nicht sicherer gewesen wäre, sie zu töten.
    Er legte Holzscheite nach. Inzwischen breitete sich der Duft von erhitzter Baumrinde und Harz im Haus aus, und bald roch er nichts anderes mehr.

Vierundvierzig
    Der erste Schuß fiel, als er nach draußen trat, um mehr Holz zu holen. Der Klang war hohl und tief, als würde er durch den schwachen Regen gedämpft, aber es gab keinen Zweifel, was das schwere Kaliber und die Wucht der Kugel betraf, die in einem Holzscheit in seinen Armen einschlug. Die Wucht warf ihn gegen die Rückwand des Hauses. Das Holz fiel ihm aus den Händen. Einen Augenblick lang fühlte er sich hilflos, aufgespießt wie ein Insekt.
    Ein zweiter Schuß schlug direkt neben seinem Hals in die Wand ein. Automatisch dachte er: Er zieht hoch und nach links. Er schießt den Hügel rauf und kann das nicht ausgleichen.
    Wyatt warf sich zu Boden, als sich der dritte Schuß in die Wand bohrte. Derselbe kraftvolle Klang, dasselbe Echo in den nahegelegenen Hügeln.
    Gewehrschüsse waren hier nichts Ungewöhnliches, aber normalerweise waren es Craig und sein Vater, die mit kleinkalibrigen Gewehren aufs Geratewohl auf Hasen und Füchse schossen. Bald würde Craigs Vater oder einem der anderen Nachbarn der Klang der großkalibrigen Waffe auffallen, und sie würden sich fragen, wer um halb elf an einem Sonntagmorgen Krieg spielte.
    Die Polizei kam nicht in Frage – die würde nicht so auftreten. Nicht mal Finns Sydney-Verbindungen – selbst wenn die wüßten, wo er zu finden war, sie würden nicht so früh auftauchen, so voreilig. Sugarfoot Younger? Von Schmerz und Müdigkeit abgelenkt, hatte Wyatt angenommen, Sugarfoot sei tot oder habe sich aus dem Staub gemacht. Er hatte nicht mehr an den stumpfen Instinkt und die Besessenheit gedacht, die dieses nutzlose Arschloch auszeichneten.
    Wyatt kroch auf den Ellenbogen vorwärts zur Seite des Hauses. Viele Schüsse waren leichter zu orten als ein einzelner Schuß, also wußte er jetzt, wo sich Sugarfoot befand. Wyatt hatte einen Vorteil: Haus und Schuppen standen auf einer leichten Anhöhe. Es gab keine Stelle die höher lag, von der aus man schießen konnte, und Sugarfoot würde sich hüten, die freie Fläche vor dem Haus und dem Schuppen zu überqueren, er würde sich im Kiefernwald postieren.
    Aber dort würde er fündig werden. Hier hatte er jede Menge Deckung. Wyatts Grundstück war fast vollständig von Bäumen umschlossen, zum einen Kiefernwald, dann ein wildes Durcheinander von Gebüschen und Brombeersträuchern und die Obstplantagen des Nachbarn. Die Auffahrt an der Vorderseite des Hauses führte in eine Allee goldener Zypressen, die, hinter Hecken und Erdwällen verborgen, zur schmalen Shorham Road führte. Wenn Sugarfoot das Haus umkreiste, um näher heranzukommen, würde Wyatt Schwierigkeiten haben, ihn zu orten. Wenn er es aus der Entfernung umrundete, konnte er Wyatt wirksam in Schach halten.
    Wind und Regen brachten einen Hagelschauer. Wyatt fror. Trainingsanzug und Hausschuhe waren nicht warm genug. Die Verletzung fing von neuem an zu bluten. Er überdachte die Möglichkeiten. Würde er einen Ausbruch zum Wagen versuchen,
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