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Gezeitengrab (German Edition)

Gezeitengrab (German Edition)

Titel: Gezeitengrab (German Edition)
Autoren: Elly Griffiths
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ganz sicher nie vorhalten zu lassen, sie hätte Kate einer Namensweihe unterzogen, damit sie auf die heidnische Grundschule kommt –, aber schließlich hat sie doch nachgegeben. Seit den Vorfällen in Broughton Sea’s End ist Nelson ungewohnt niedergeschlagen. Vielleicht liegt es ja daran, dass er Ruth nicht selber in Sicherheit bringen konnte, oder daran, dass Clough ihm das Leben retten musste – jedenfalls ist er angespannt und ständig in Sorge. Er ruft Ruth mehrmals täglich an, um nach Kate zu fragen, und liegt ihr ständig mit dem Wohl des Babys in den Ohren.
    «Ich mache das allein, Nelson. Darauf hatten wir uns geeinigt, weißt du noch?»
    Letztendlich war der entscheidende Faktor aber, dass sie Nelson und Michelle durch die Taufe zu Kates Paten machen und ihnen damit eine offizielle Rolle im Leben ihrer Tochter geben kann. Wenn sie ehrlich ist, fürchtet sie sich nämlich doch ein bisschen davor, das alles ganz allein zu stemmen. Jene schrecklichen Sekunden unter Wasser, als nicht nur ihr eigenes Leben, sondern auch das von Kate vor ihr ablief, haben ihr gezeigt, wie gefährlich es für Kate sein kann, wenn ihr ganzes Wohl und Wehe vollständig an einem einzigen Menschen hängt. Ruth hat keine allzu große Angst vor dem Tod, doch der Gedanke, Kate im Stich zu lassen, macht ihr eine Heidenangst. Und so hat sie zugestimmt, Kate in der katholischen Kirche taufen zu lassen, allerdings unter der Bedingung, dass Pater Hennessey aus Sussex anreist, um die Zeremonie durchzuführen. Außerdem hat sie ein Testament gemacht und Nelson und Michelle für den Fall ihres Ablebens als Vormünder eingesetzt. Sie hat keinerlei Bedenken, Kate in Michelles Obhut zu lassen. Sie ist eine gute Mutter, und Kate hätte die Möglichkeit, zumindest irgendwie mit ihren Halbschwestern aufzuwachsen. Das ist dem freudlosen Leben bei Ruths Eltern in Südlondon auf jeden Fall vorzuziehen.
    Nelson hat Michelle gegenüber behauptet, dass Ruth katholisch aufgewachsen sei und sich für die Taufe entschieden habe, um auf der sicheren Seite zu sein, «nach dem Motto: doppelt genäht hält besser». Und Michelle hat das ohne weitere Fragen hingenommen. Sie legt ein geradezu spektakuläres Desinteresse an Religion an den Tag und hat auch Nelsons Entscheidung, ihre Töchter katholisch taufen zu lassen, nie in Frage gestellt. Wenn man schon irgendetwas sein muss, warum dann nicht katholisch? So sieht sie das. Und Mädchen kann man zur Erstkommunion ja zumindest hübsche Kleider anziehen.
    Heute trägt Michelle selbst ein hübsches Kleid mit rosa Blumen und ein perlenbesticktes Jäckchen dazu. Ruth in ihrer schwarzen Hose und dem weißen Oberteil fühlt sich haushoch ausgestochen. Zumindest gleicht Cathbad im vollen Druidenornat die Sache wieder ein wenig aus. Ruth fand es doch zu eigenartig, nur Nelson und Michelle als Taufpaten zu haben, deshalb hat sie auch Cathbad und Shona gefragt. Je mehr, desto besser. Und schließlich sind, wie Pater Hennessey betont, von den vieren immerhin drei katholisch getauft.
    «Ich bin aber nicht unbedingt praktizierender Katholik», meint Cathbad in bescheidener Untertreibung.
    «Ach, der katholischen Kirche entkommt man nie», erwidert Pater Hennessey grinsend. «Wenn Sie wollen, können Sie sogar den Teufel anbeten, für uns bleiben Sie doch immer ein abtrünniger Katholik.»
    Tatjana hat Cathbad als Teufelsanbeter bezeichnet, erinnert sich Ruth. Sie hat nie ganz durchschaut, ob das nun als Witz gemeint war oder nicht – sie weiß nur, dass Tatjana sich sehr weit von ihrer katholischen Kindheit entfernt hat. Nachdem Tatjana ihr am Strand zu Hilfe gekommen und wie einer von Eriks heißgeliebten nordischen Wassergeistern auf dem Deich erschienen war, saßen sie noch bis spät in die Nacht hinein zusammen und redeten. Tatjana hat Ruth erzählt, dass sie bei dem Versuch, Jakobs Tod zu verarbeiten, die ganze Palette des Spirituellen ausprobiert hat.
    «Ich habe alles durch: Rückführungen in frühere Leben, Seancen, Buddhismus, Zoroastrismus. Eine Zeitlang war ich sogar bei einer obskuren Glaubensgemeinschaft, die sich ‹Gefährten des Fischers› nannte. Rick war sehr verständnisvoll. Er hätte sich eigene Kinder gewünscht, aber ich habe es einfach nicht ertragen. Ich wollte kein anderes Kind, ich wollte Jakob. Wenn Kate etwas passieren würde, dann würdest du sie doch auch nicht durch ein anderes Kind vergessen können, oder?»
    «Nein.» Ruth klopfte verstohlen auf Holz.
    «Ich wollte einfach wieder Kontakt
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