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Gestatten, Bestatter! - Bei Uns Liegen Sie Richtig

Gestatten, Bestatter! - Bei Uns Liegen Sie Richtig

Titel: Gestatten, Bestatter! - Bei Uns Liegen Sie Richtig
Autoren: Peter Wilhelm
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»Wollen wir dann?«
    »Zwei Herzen wohnen mir inne!«, juchzt Röschen, und so einen Augenaufschlag bekommt nicht mal ein 16-jähriger Backfisch hin.
    »Los jetzt«, sage ich zu Herrn Rose und gebe ihm einen kleinen Stoß. Er nickt, schluckt schwer, nimmt eine große orangefarbene Reisetasche, die bis jetzt neben dem Sofa gestanden hat, und folgt mir zum Aufbahrungsraum.
    Das größere Aufbahrungszimmer ist fast doppelt so groß wie die anderen. Es ist zweigeteilt, der hintere Teil kann durch ein Rolltor von oben geschlossen und gekühlt werden, vorne gibt es Teppichboden, und man kann Stühle stellen oder was man sonst so für richtig hält. Da ich weiß, dass sich Herr Rose eine Weile dort aufhalten möchte, habe ich den Sarg selbst quergestellt und einen der dicken Sessel aus der Halle geholt. (Mann, was sind die Dinger schwer!) Außerdem habe ich ein Tischchen hineingestellt, die Öllampen an den Wänden angezündet, und eine Mitarbeiterin hat aus der Gärtnerei drei Rosen geholt, deren rote Blütenblätter ich über die Decke gestreut habe. Dann sieht es nicht so kalt aus.
    Ich merke, wie seine Schritte langsamer werden, je näher wir dem Raum kommen. Schließlich bleibt er im Gang neben der Tür stehen. Ich trete zur Seite und mache eine einladende Handbewegung.
    Röschen macht einen Giraffenhals und guckt einmal ganz vorsichtig um die Ecke in den Aufbahrungsraum. Dann tritt er einen Schritt vor, schlägt die Hände vor das Gesicht und schluchzt: »Ach Gott, ist das schön!« Im selben Moment tippelt er mit kleinen Schritten vor, schaut sich minutenlang seinen verstorbenen Partner an, dreht sich dann um, und ehe ich es mich versehe, habe ich links und rechts einen Kuss auf der Wange. »Er ist so so so wunderschön.«
    Ich deute auf das Telefon an der Wand und sage: »Falls Sie irgendetwas brauchen, nehmen Sie einfach den Hörer ab, ja?«
    Keine Ahnung, ob er mich verstanden hat, denn er fängt an, seine Tasche auszupacken, und ich gewähre ihm seine Privatsphäre und gehe.
    Die Tür lehne ich an.
    Nach einer halben Stunde gehe ich nachschauen – das heißt, ich will nachschauen gehen, aber als ich in den Gang komme, der zu den Aufbahrungsräumen führt, höre ich leise Musik und die Stimme von Röschen.
    Er erzählt seinem Kalli irgendwas, ich kann nicht verstehen, was er sagt. Ich gehe wieder.
    Fast zwei Stunden hat Röschen bei Kalli zugebracht, dann kommt er mit seiner Reisetasche wieder in die Halle. »Ich habe ihm seinen Schmuck angezogen, und da hätte ich noch eine Bitte.«
    »Ja?«
    Er schaut sich um und sagt mit dem Unterton eines Verschwörers: »Nehmen Sie ihm den bitte wieder ab, bevor er eingeäschert wird, ja? Sonst kommen die guten Stücke noch um.« Ich weiß, was er meint, und nicke.
    Dann frage ich: »War alles zu Ihrer Zufriedenheit?«
    »Ja, ich habe Kalli seine Musik vorgespielt, seine Hände gestreichelt, er hatte so schöne Hände … Dann habe ich ihm so ein paar Sachen erzählt, die nur ihn und mich etwas angingen, die ich ihm aber nie gesagt habe. Dabei habe ich seine Hände gehalten. Die waren so kalt und so steif, aber wie ich sie so gehalten habe, wurden sie wärmer und weicher, das war sehr schön. Ich liebe diesen Mann …«
    Dann setzt sich Röschen und erzählt mir von seinen Gefühlen. Ich habe schon viele Menschen weinen sehen, aber dass es jemanden so schütteln kann … Ich bin ja nun wirklich nicht weinerlich, aber wenn jemand so herzzerreißend heult, drückt es mir dann doch auch schon ein bisschen die Tränen in die Augen.
    In meiner Tasche vibriert mein Handy. Ich entschuldige mich bei Röschen, mir kommt das jetzt ganz recht, sonst heule ich auch noch richtig.
    Aus dem Büro wird gemeldet, dass ein Taxifahrer einen Briefumschlag abgegeben hat, in dem sich 2000 Euro befinden. Aha, der Herr Richter am Landgericht a.D. … Ich klappe das Handy zu und erzähle Röschen von dem Treffen mit Kallis Vater. Die unangenehmen Punkte lasse ich weg, weise aber auf das eingegangene Geld hin.
    Er steht auf, geht auf und ab, bleibt nach fünf Metern jeweils stehen, wippt auf die Zehenspitzen, dreht sich wie eine Primaballerina, geht wieder fünf Meter … Dabei hat er die Hände hinter dem Kopf verschränkt, macht einen spitzen Mund und wiegt den Kopf hin und her.
    Plötzlich bleibt er vor mir stehen und sagt: »Ich habe da mal was gehört. Man kann doch auch heute noch Totenmasken abnehmen oder?« Ich nicke. »Dann machen wir das! Schicken Sie dem Richter ruhig die Rechnung,
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