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Gestatten, Bestatter! - Bei Uns Liegen Sie Richtig

Gestatten, Bestatter! - Bei Uns Liegen Sie Richtig

Titel: Gestatten, Bestatter! - Bei Uns Liegen Sie Richtig
Autoren: Peter Wilhelm
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alt geworden und befindet sich im Rechtsmedizinischen Institut.
    Die Polizei war inzwischen bei den Eltern. Wie ich erfahren habe, sollen die Beamten die Anwesenden vor die Wahl gestellt haben, dass entweder der ganze Clan jetzt mal verschwindet, damit man die Eltern befragen kann, oder die beiden müssen mit auf die Wache.
    Erstaunlicherweise hat sich noch für heute Abend der Vater angekündigt. Er will mit mir alles besprechen.
    Mal sehen, was der mir erzählt.
    21.30 Uhr
    Für heute ist Schluss.
    Neue Sachlage: Bei genauerer Betrachtung der Leichenschaupapiere (von denen wir uns Kopien gemacht haben – im Original liegen sie jetzt bei den Behörden) stellt sich heraus, dass der Arzt wohl beides angekreuzt hat: Natürlicher Tod und Nichtnatürlicher Tod , aber das zweite Kreuzchen ist kaum zu erkennen. Angeblich habe er von seiner Praxis aus gerade die Polizei anrufen wollen, aber wir seien ihm zuvorgekommen. Na ja …
    Der Vater des Kindes war bei mir, der sah gar nicht italienisch aus. Ein Italiener, man verzeihe mir dieses primitive Vorurteilsdenken, ist klein, hat schwarze Haare; der hier ist aber groß, hat rotblondes Haar und blaue Augen, lediglich sein Gestikulieren und sein Akzent verraten eindeutig die Herkunft.
    Ich frage zuerst die notwendigen Daten ab, dann spreche ich ihn auf die Todesumstände an. Er macht eine wegwerfende Handbewegung, er sei ja gar nicht dabei gewesen – seine Frau habe das Kind im Bad auf der Wickelkommode für den Mittagsschlaf vorbereitet und dann ins Bett gelegt. Als er wenig später nach der Kleinen gesehen habe, habe sie leblos im Bettchen gelegen. Er schimpft über deutsche Krankenkassen, die Nachbarn, die Polizei. Ich habe etwas Angst vor dem kommenden Moment, in dem ich ihm sagen muss, dass wir die Polizei verständigt haben. Wird er begreifen, dass wir nicht anders handeln konnten?
    Doch! Er sagt: »Habbe korrekt gemacht! Vielleicht hatte de Arzt eine Fehler gemacht!«
    Moment mal, der Arzt ist doch erst gekommen, als das Kind schon leblos war. Was ist da los? Ich erkläre ihm nochmals, dass wir so handeln müssen und so weiter. »Jaja, habbe korrekt gemacht.«
    Steht der unter Drogen oder unter Schock? Er will den Sarg aussuchen, ganz schnell einen Termin, aber nicht vor Anfang nächster Woche – wegen der Familie, die muss nämlich erst aus Italien kommen. Das ist mir nicht genug, ich will doch wissen, was passiert ist. Einerseits wäre es mir ja lieb, wenn an der ganzen Sache nichts dran ist, andererseits hätten wir uns dann riesig blamiert. Blöde Zwickmühle.
    Der Italiener fängt an zu weinen, erzählt mir, dass seine Frau jetzt gleich von einem anderen Arzt behandelt werde, sie habe einen Nervenzusammenbruch, deshalb müsse er jetzt nach Hause. Aus der Hosentasche zieht er eine Rolle Banknoten und legt mir 800 Euro hin, als Anzahlung.
    Morgen sehen wir weiter. Mir langt’s vorerst.
    Mittwoch, 14 Uhr
    Langsam kommt etwas Klarheit in die Sache. Wir bekommen heute gegen Abend die Freigabe, vielleicht schon am Nachmittag.
    Es ist ja nicht so, dass ich mich den ganzen Tag um diesen einzelnen Fall kümmern könnte. Man darf nicht vergessen, dass wir in aller Regel vor allem alte Väterchen und Mütterchen beerdigen, wie es sich gehört; also Menschen, die schon lange auf dieser Erde weilten und die eben in dem Alter sind, in dem man auch schon mal sterben kann. Andere Fälle – junge Menschen, Menschen mittleren Alters – sind glücklicherweise eher selten, und Fälle, in denen es zu einer solchen Dramatik kommt wie diesmal, sind noch deutlich seltener. Aber merkwürdigerweise treten sie oft in Serie auf. Wenn man gerade so einen doch recht merkwürdigen Fall abgeschlossen hat, kommt garantiert gleich der nächste – und dann ist oft wieder für Jahre Ruhe.
    Bei Maria ist es zu einer unerwarteten Wendung gekommen: Die Mutter musste gestern Abend noch von ihrem Mann ins Krankenhaus gebracht werden, weil sie aufgrund der nervlichen Belastung einen Weinkrampf bekommen hatte. Man stelle sich einfach eine Dreizimmerwohnung voll mit Südländern vor, dazu die Polizei, ein Pfarrer der italienischen Gemeinde, die Vorbereitungen für die Bestattung – all das war einfach zu viel für die Mutter, aber sicherlich auch für den Vater. Im Krankenhaus hat die Mutter sich dann weinend einer Ärztin offenbart; daraufhin wurde erneut die Polizei hinzugezogen.
    Folgendes ist wohl passiert: Die Mutter machte gestern Mittag das Kind auf der Wickelkommode fertig. Dabei
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