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Geständnis

Titel: Geständnis
Autoren: bernd
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menschlich. Wenn wir mit unserer
Sterblichkeit konfrontiert werden, denken wir an das Leben danach.
Wie ist das bei Ihnen, Travis? Glauben Sie an Gott?“
    „ An manchen Tagen ja, an manchen nein. Aber selbst wenn ich
glaube, bin ich ziemlich skeptisch. Für Sie ist es einfach, an Gott
zu glauben, weil Sie ein leichtes Leben hatten. Bei mir ist das was
anderes.“
    „ Möchten Sie mir Ihre Geschichte erzählen?“
    „ Eigentlich nicht.“
    „ Warum sind Sie dann hier, Travis?“
    Wieder das Zucken. Als es vorbei war, ließ Travis die Augen
durch den Raum wandern. Auf dem Gesicht des Pastors blieben sie
liegen. Die beiden Männer schauten sich lange an, ohne zu zwinkern.
Schließlich sagte Boyette: „Reverend, ich habe ein paar schlimme
Dinge getan. Unschuldigen Menschen wehgetan. Ich bin nicht sicher,
ob ich das alles mit ins Grab nehmen will.“
    Jetzt kommen wir allmählich zum Punkt, dachte Keith. Die Bürde
ungebeichteter Sünden. Die Schmach verborgener Schuld. „Es würde
helfen, wenn Sie mir von diesen schlimmen Dingen erzählen würden.
Mit einer Beichte anzufangen ist immer gut.“
    „ Und das bleibt alles unter uns?“
    „ Überwiegend ja. Es gibt allerdings Ausnahmen.“
    „ Welche?“
    „ Wenn ich aufgrund Ihres Bekenntnisses zu der Auffassung
gelange, dass Sie für sich selbst oder andere Personen eine Gefahr
darstellen, ist meine Schweigepflicht aufgehoben. Dann kann ich
entsprechende Maßnahmen einleiten, um Sie oder jemand anders zu
schützen. Mit anderen Worten, dann kann ich Hilfe
holen.“
    „ Klingt kompliziert.“
    „ Was es nicht ist.“
    „ Hören Sie, Reverend. Ich habe wirklich schreckliche Dinge
getan, aber eine Sache quält mich seit Jahren. Ich muss mit
jemandem reden, und ich weiß nicht, wohin ich sonst gehen könnte.
Sie dürften es also niemandem erzählen, wenn ich Ihnen von einem
furchtbaren Verbrechen berichten würde, das ich vor Jahren begangen
habe?“
     
    Dana rief die Internetseite der Gefängnisbehörde von Kansas
auf und hatte binnen Sekunden das verkorkste Leben des Travis Dale
Boyette vor sich. 2001 zu zehn Jahren Haft wegen versuchter
Vergewaltigung verurteilt. Aktueller Status: in Haft.
    „ Der aktuelle Status sitzt bei meinem Mann im Büro“, murmelte
sie, während sie fortfuhr, die Tasten zu bearbeiten.
    1991 verurteilt zu zwölf Jahren wegen schwerer sexueller
Nötigung in Oklahoma.
    1987 verurteilt zu acht Jahren wegen versuchter sexueller
Nötigung in Missouri. 1990 auf Bewährung entlassen.
    1979 verurteilt zu zwanzig Jahren wegen schwerer sexueller
Nötigung in Arkansas. 1985 auf Bewährung entlassen.
    Boyette war in Kansas, Missouri, Arkansas und Oklahoma ein
registrierter Sexualstraftäter.
    „ Ein Monster“, sagte Dana tonlos zu sich selbst. Sein Aktenfoto
zeigte einen wesentlich fülligeren, jüngeren Mann mit dunklem,
schütterem Haar. Sie schrieb kurz sein Strafregister zusammen und
schickte eine Mail an Keith. Um die Sicherheit ihres Mannes machte
sie sich keine Sorgen, dennoch wollte sie diesen Widerling so
schnell wie möglich aus dem Haus haben.
     
    Nach einer anstrengenden halben Stunde ohne große Fortschritte
begann Keith allmählich die Lust an dem Gespräch zu verlieren.
Boyette zeigte keinerlei Interesse an Gott, und da Gott Keiths
Kernkompetenz war, schien es für ihn nicht viel zu tun zu geben. Er
war kein Hirnchirurg. Und er hatte keine Jobs
anzubieten.
    Mit dem entfernt klingenden Ton einer altmodischen Türklingel
kündigte sein Rechner eine neue Nachricht an. Zweimal Klingeln
verriet eine E-Mail von außerhalb, dreimal hieß, dass sie vom
Empfang kam. Er tat, als hätte er nichts gehört.
    „ Was hat es mit dem Stock auf sich?“, erkundigte er sich
liebenswürdig.
    „ Im Gefängnis geht es brutal zu“, antwortete Boyette. „Das war
eine Prügelei. Eine Kopfverletzung. Hat wahrscheinlich zu dem Tumor
geführt.“ Er fand das witzig und lachte.
    Keith fühlte sich genötigt, ebenfalls zu schmunzeln, stand
dann auf und ging zum Schreibtisch. „Wissen Sie was, ich gebe Ihnen
eine Karte von mir. Rufen Sie mich an, wann immer Sie wollen. Sie
sind hier jederzeit willkommen, Travis.“ Er griff nach einer
Visitenkarte und schielte dabei auf den Monitor. Viermal -
tatsächlich viermal! - verurteilt, immer wegen Sexualdelikten.
Keith ging zum Stuhl zurück, reichte Travis seine Karte und setzte
sich.
    „ Vergewaltiger haben es im Gefängnis besonders schwer, nicht
wahr, Travis?“, sagte Keith.
    Es war immer dasselbe. Man kam
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