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Geschichte der deutschen Sprache

Geschichte der deutschen Sprache

Titel: Geschichte der deutschen Sprache
Autoren: Thorsten Roelcke
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gekennzeichnet (vgl. die folgende Tabelle). Dabei setzen sich die geschichtlichen Tendenzen, die sich im mittelalterlichen Deutschen gezeigt haben, fort und werden zum Teil sogar verstärkt. Dies gilt insbesondere für den Abbau synthetischer Wortformen, die entweder weiter geschwächt (etwa durch die schwache Konjugation vormals starker Verben, was zu einem Verlust ganzer Ablautklassen führt) oder durch analytische Umschreibungen (etwa im Bereich des Konjunktivs) ersetzt werden. Hinzu kommt hier, dass mit der Etablierung des Sechstempussystems (nach dem Vorbild des Lateinischen) zusätzliche analytische Umschreibungen grammatikalisiert werden, die vormals in der Volkssprache frei konstruiert worden sind. Vor diesem Hintergrund ist es kaum überraschend, dass die Verbindlichkeit der Wort- und Satzgliedstellung in frühneuhochdeutscher Zeit ebenfallsweiter zunimmt und dabei zur Kennzeichnung von Satzgliedern und anderen Satzteilen herangezogen wird.
Frühneuhochdeutsch
Sprachsystematische Merkmale (Auswahl)
Lautung
Monophthongierungen und Diphthongierungen (Wechsel von doppelten zu einfachen Vokalen und umgekehrt)
 
Dehnungen von kurzen und Kürzungen von langen Vokalen
Form- und Wortbildung
Abbau synthetischer Wortformen und Ausbau analytischer Umschreibungen von grammatischen Kategorien
 
Herausbildung analytischer Umschreibungen für neue Kategorien (Sechstempussystem)
 
verhältnismäßig stark ausgeprägte Wortbildung im Bereich der Komposition
Satzbau
zunehmende Festlegung der Wort- und Satzgliedfolge (festere Satzkonstruktionen)
Wortschatz
Erweiterung (Beeinflussung durch den Humanismus und Entlehnung)
 
Entlehnungen aus dem Lateinischen und Griechischen
 
Herausbildung neuer Konjunktionen
Interferenz
Einflüsse aus dem Lateinischen und dem Französischen (daneben auch Italienischen)
6.5 Neuhochdeutsch
    Setzt man den Beginn der neuhochdeutschen Periode nicht in Anlehnung an Grimm bereits mit der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert, sondern nach Scherer mit der Mitte des 17. Jahrhunderts an, so ergibt sich aus zeitgeschichtlicher Sicht etwa der folgende große Abschnitt, der mit dem Zeitalter des Absolutismus (1648–1789) beginnt und sich über die Napoleonische Zeit (1789–1815), die Phase der Restauration und Revolution (1815–50), die darauf folgende Reaktion und Bismarckzeit (1850–90), die sog. Wilhelminische Ära (1890–1918), die Weimarer Republik (1918–33) bis schließlich hin zur Nationalsozialistischen Herrschaft im Dritten Reich (1933–45) erstreckt.Hinzu kommen hier gegebenenfalls die Nachkriegs zeit mit dem unmittelbaren Neuanfang (1945–49), die Adenauerzeit (1949–61), die Zeit vom Mauerbau bis zum Grundlagenvertrag (1961–72), die Zeit verschärfter Spannungen und der sog. deutsch-deutschen Verantwortung (1972–89) und schließlich die Phase der deutschen Einheit (seit 1989). Die geschichtliche Einordnung des Neuhochdeutschen orientiert sich hiernach mit dem Westfälischen Frieden und dem Ende des Zweiten Weltkriegs bzw. der Nachkriegsgeschichte an zwei bedeutsamen Eckpunkten, mit denen eine Spanne von etwa drei Jahrhunderten umrissen wird, die von ihren politischen, gesellschaftlichen, kulturellen oder wirtschaftlichen Entwicklungen und Ereignissen her betrachtet ausgesprochen vielgestaltig ist. Besonders bedeutsam für die Sprachgeschichte seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts und unter Umständen ausschlaggebend für den Ansatz einer neuen Periode oder zumindest Etappe erweisen sich dabei gesellschaftliche Veränderungen (vgl. unten).
    Ist die Gesellschaft zu Beginn der neuhochdeutschen Periode noch im Wesentlichen durch den Absolutismus geprägt, in dem auch das Bürgertum seinen festen Platz hat, so ändern sich die sozialen Verhältnisse im 19. Jahrhundert gravierend: In Folge der Industriellen Revolution entstehen in den Städten neben dem Großbürgertum mit dem sog. Proletariat (Karl Marx) und den Angestellten neue Bevölkerungsschichten; zudem werden im Rahmen der sog. Bauernbefreiung die letzten Reste des alten Feudalsystems überwunden. Als Träger der Sprachentwicklung hat im 18. und 19. Jahrhundert das sprachlich und kulturell ambitionierte Bildungsbürgertum (im 20. Jahrhundert dann die Gesamtgesellschaft) zu gelten, aus dem zahlreiche Gelehrte in Sprachgesellschaften, Schulen oder Hochschulen hervorgehen; hinzu kommt hier die Entwicklung des Massendrucks von Zeitungen und Zeitschriften, welche die Lesefähigkeit und -gewohnheiten der Bevölkerung
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