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Gesammelte Werke

Gesammelte Werke

Titel: Gesammelte Werke
Autoren: Edgar Allan Poe
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würdigen Gizbarim nun zueilten und der den Namen seines Erbauers, des Königs David, führte, galt als der befestigtste Bezirk Jerusalems, da er auf dem steilen und hohen Berg Zion gelegen war. Hier wurde ein breiter, tiefer und in den festen Stein gehauener Wallgraben von einer auf seinem inneren Rand errichteten sehr starken Mauer verteidigt. Diese Mauer war in regelmäßigen Zwischenräumen mit Türmen aus weißem Marmor geziert, deren niedrigster sechzig und deren höchster hundertundzwanzig Ellen hoch war. In der Nähe des Tores Benjamin aber erhob sich die Mauer keineswegs auf dem Grabenrand. Im Gegenteil, zwischen dem Boden des Grabens und dem Fundament des Walles erhob sich eine senkrechte Felswand von zweihundertundfünfzig Ellen Höhe, die einen Teil des steilen Berges Moriah bildete. Als also Simeon und seine Gefährten oben auf dem Turme Adoni-Bezek erschienen – dem höchsten aller Türme um Jerusalem und dem üblichen Ort der Verhandlungen mit dem belagernden Heer –, blickten sie auf das feindliche Lager von einer Höhe hinab, die um viele Fuß jene der Pyramide des Cheops überragte und um einige Fuß sogar den Tempel des Belus.
    »Wahrlich«, seufzte der Pharisäer, als er, von Schwindel ergriffen, über den Abgrund spähte, »die Unbeschnittenen sind zahlreich wie der Sand am Meer – wie die Heuschrecken in der Wüste! Das Tal des Königs ist zum Tal Adommin geworden.«
    »Und dennoch«, fügte Ben-Levi hinzu, »kannst du mir nicht einen Philister weisen – nein, von Aleph bis Tau, von den Wüsten bis zu den Zinnen nicht einen einzigen –, der auch nur im Geringsten größer wäre als der Buchstabe Jot!«
    »Lasst den Korb mit den Silberschekels herunter!«, schrie hier ein römischer Soldat mit rauer, krächzender Stimme, die aus den Reichen Plutos hervorzudringen schien. »Lasst den Korb mit der verfluchten Münze herunter, bei deren Aussprache ein edler Römer sich die Zunge zerbrochen hat! Beweist ihr denn so unserm Herrn Pompejus eure Dankbarkeit, der sich herabließ, eurem götzendienerischen Anliegen zu willfahren? Der Gott Phöbus, der ein wahrer Gott ist, hat seit einer Stunde seine Fahrt begonnen – und wolltet ihr nicht bei Sonnenaufgang an den Wällen sein? Aedepol! Meint ihr, wir, die Eroberer der Welt, hätten nichts Besseres zu tun, als vor jedem Hundeloch herumzustehen und mit den Hunden der Erde zu verhandeln? Herunter mit dem Korb! sag ich – und gebt acht, dass euer lumpiges Geld von hellem Glanz und rechtem Gewicht ist!«
    »El Elohim!«, rief der Pharisäer aus, als die unharmonischen Laute des Zenturios an den Felsen des Abgrunds erdröhnten und in der Richtung des Tempels verhallten. »El Elohim! Wer ist der Gott Phöbus? Wen ruft der Lästerer an? Du, Bazi-Ben-Levi, der du in den Gesetzen der Heiden belesen bist und unter denen weiltest, die sich mit Götzendienst befassen! – ist es Nergal, von dem der Götzendiener spricht? – oder Ashimah? – oder Nibhaz? – oder Tartak? – oder Adramalech? – oder Anamalech? – oder Sukot-Benit? – oder Dagon? – oder Belial? – oder Baal-Perit? – oder Baal-Peor? – oder Baal-Zebub?«
    »Wahrlich, es ist keiner von diesen – doch hüte dich, das Seil zu hastig durch die Finger gleiten zu lassen; denn sollte das Flechtwerk dort an jenem Felsenvorsprung hängen bleiben, so würden die heiligen Gegenstände elendiglich herausstürzen.«
    Mit Hilfe einer kunstlos gefügten Einrichtung wurde nun der schwere Korb achtsam zu der Menge hinabgelassen, und aus der schwindelnden Höhe konnte man sehen, wie die Römer sich um ihn drängten; wegen der großen Entfernung aber und eines zunehmenden Nebels konnte man keinen deutlichen Einblick in ihr Gehaben gewinnen.
    Schon war eine halbe Stunde dahingegangen.
    »Wir werden zu spät kommen«, seufzte der Pharisäer, als er nach Ablauf dieser Zeit in den Abgrund hinunterspähte, »wir werden zu spät kommen! Die Katholim werden uns vom Dienst ausschließen.«
    »Nie mehr, nie mehr werden wir im Überfluss leben«, erwiderte Abel-Phittim, »unsre Bärte werden nicht mehr vom Weihrauch duften – unsre Lenden mit hartem Tempelleinen gegürtet sein.«
    »Raca!«, fluchte Ben-Levi, »Raca! Wollen sie uns mit dem Kaufpreis durchgehen oder, heiliger Moses, prüfen sie am Ende gar die Schekels des Tabernakels auf ihr Gewicht?«
    »Sie haben endlich das Zeichen gegeben«, rief der Pharisäer, »sie haben endlich das Zeichen gegeben – zieh an, Abel-Phittim! – Und du, Bazi-Ben-Levi, zieh
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